Silber: Kornelia Scherer

Silbermedaille für Kornelia Scherer

Stewardess mit Entertainment-Qualitäten

Bevor Kornelia Scherer (55) vor 15 Jahren den Quereinstieg bei der Deutschen Bahn wagte, war sie Hausfrau, Mutter und jobbte gelegentlich als Gastronomin. Doch die Personaler der Bahn-Tochter Mitropa erkannten seinerzeit das Talent der Frau aus dem niedersächsischen Stade. „Eine gute Bistro-Stewardess ist eine Entertainerin: Wenn es stressig wird, rockt Kornelia das Zugrestaurant“, sagt ihr Gruppenleiter. Kornelia Scherer formuliert es nüchterner: „Nach fast 15 Jahren in der Zuggastronomie gibt’s bei mir keinen Stress mehr. Ich habe zwei Hände, und die wissen, was sie zu tun haben.

Die Würdigung der Jury

Silber für ein Muster an Fürsorglichkeit

Eine erstklassige Gastronomie während der Zugreise gehört in Zeiten, in denen Mobilität oft nur nach dem kleinsten Preis bewertet wird, zur gehobenen Reisekultur. Hier hat die Eisenbahn vor ihren Konkurrenten, Auto und Fernbus, ganz klare Systemvorteile. Erst recht, wenn Gastronomen wie Kornelia Scherer an Bord sind, und ein waches Auge auf die Fahrgäste haben. Ohne dass die Reisenden die Bistro-Stewardess erst um Hilfe bitten mussten, erkannte sie die Notlage. Silber für Kornelia Scherer, die beim Service am Platz erstklassig unterwegs ist. Für so ein Muster an Fürsorglichkeit gibt es zu Recht Lob aus dem Ausland.

Das Interview

„Jetzt werde ich Krankenschwester“

Frau Scherer, was tun Sie, wenn eine Horde betrunkener Fußballfans ins Bordbistro einfällt?
Da gibt es kein Patentrezept. Einmal hatte ich Dienst, da haben Fußballfans das ganze Bistro verwüstet. Sie waren sauer, weil eine Kollegin ihnen kein Bier mehr ausschenken wollte. Die haben Zucker und Milch ausgekippt, die Speisekarten zerrissen, alles herum geschmissen, was nicht festgeschraubt war. Da sagte ich: „Jungs, ihr kriegt euer Bier, aber erst wird hier aufgeräumt.“ Ich habe Müllsäcke verteilt und ruckzuck war das Bistro wieder sauber. Man muss mit den Leuten umzugehen wissen.

Wenn ein Fahrgast die Zeche prellt, laufen Sie dann hinterher?
So schnell bin ich nicht zu Fuß. Aber es kommt schon vor, dass ich die Leute erinnern muss. Sie stehen schon am Ausgang und ich sage dann: „Haben Sie nix vergessen?“ Das ist dann schon ein wenig peinlich für beide Seiten.
 
Und Kunden, die nur einen Sitzplatz wollen, und im Restaurant nichts bestellen?
Die zwinge ich nicht. Ich frage freundlich nach, ob sie nicht ein schönes Frühstück oder einen Kaffee wünschen. Aber wenn das nicht hilft, bin ich kulant.

Als Sie das Ehepaar Gill auf dem Zug hatten, waren Sie aber etwas mehr als kulant.
Ich habe die Leute schon am Bahnsteig bemerkt. Ich stand in der Raucherecke und habe sofort gesehen, dass der Mann schwer krank war. Vielleicht weil mein Mann vor 18 Monaten an einem Herzinfarkt gestorben ist. Seitdem habe ich dafür einen besonderen Blick.

Die Frau hatte sich außerdem den Fuß verstaucht. Was haben Sie da getan?
Wir haben ja keine Notarztausrüstung im Bistro, aber der Knöchel war geschwollen und brauchte Kühlung. Also habe ich unsere guten DB-Papierservietten ins Eisfach gelegt und daraus perfekt anschmiegsame Kühlakus gebastelt. Da ich in der 1. Klasse auch für den Service am Platz zuständig bin, konnte ich dann immer wieder vorbeischauen und das Ehepaar ein wenig umsorgen.

Machen Sie häufiger Kühlakkus?
Einmal war ein Mädchen im Zug, das hatte schlimme Bauchschmerzen. Für sie habe ich aus einer Plastikflasche eine Wärmflasche hergestellt. Das hat wunderbar funktioniert. Von den Kollegen kriege ich dann manchmal schon einen Spruch zu hören. So etwa: „Du hast aber viel Zeit.“ Für mich gehört das zum Service.

Als Ihr Gruppenleiter Ihnen gesagt hat, dass Sie als erste Mitarbeiterin der Bordgastronomie den Titel „Eisenbahnerin mit Herz“ gewonnen haben, war das eine Überraschung?
Ehrlich gesagt ja. Die Berufsbezeichnungen für den Bistro-Bereich sind ja nicht nur schmeichelhaft: „Saft-Schubse“ oder „Teller-Taxi“, das klingt nicht nach dem großen Preis. Umso mehr habe ich mich über den Brief von Familie Gill gefreut. Das ist doch mal eine Karriere: Ab jetzt werde ich Krankenschwester.

Die Nominierungen

„Gastgeberin mit persönlicher Note“

Die Nominierung von Kornelia Scherer erreichte die Jury indirekt: Das Ehepaar Gill aus Großbritannien war von seiner Reise mit der Deutschen Bahn so begeistert, dass es seine Lobeshymne direkt an Frau Scherers Vorgesetzen schickte:

„Ich möchte die Bistro-Stewardess Frau Scherer loben, die uns bei der Reise im IC von Binz nach Hamburg über das normale hinaus geholfen hat. Anfangs erklärte ich ihr, dass wir unsere Koffer nicht in die obere Gepäckablage heben könnten, weil mein Mann kürzlich einen Herzinfarkt erlitten hatte. Ich war am Vortag hingefallen und ins Krankenhaus gebracht worden. Mein Fuß war schlimm angeschwollen, als ich am Morgen entlassen wurde, damit wir die Reise nach Hause antreten konnten. Frau Scherer sagte mir, ich solle meinen Fuß sofort ruhig ablegen. Kurz darauf kam sie mit Kühlakkus, die sie aus gefrorenen Servietten hergestellt hatte. Während der Reise kam sie noch weitere Male an unseren Platz, um die Kühlung fortzusetzen. Ich bin sicher, dass ihr schnelles Handeln meinen Fuß davor bewahrte, weiter anzuschwellen. Während der ganzen Reise kam sie mehrfach zu uns, um sich zu überzeugen, dass wir alles hatten. Kaffee bekamen wir sofort mit einem Lächeln und einer kleinen Plauderei serviert. Sie spendierte uns sogar Kuchen und half in Hamburg beim Aussteigen. Wir waren ihr unglaublich dankbar, gerade weil wir uns beide nicht wohl fühlten. Wir glauben, dass Frau Scherer für ihre außerordentliche Kundenfreundlichkeit belobigt werden sollte. Sie machte diese Reise zu etwas Besonderem für uns.“ Susan Gill (England)
 
– und dieser schloss sich an:
„In meiner Funktion als Gruppenleiter gebe ich Lob in der Regel direkt an die Mitarbeiter weiter. Ein Kundenlob an sich kommt schon sehr selten und ist immer ein tolles Feedback. Diese Zuschrift kam aus dem Ausland, der Sprachbarriere zum Trotz und ist ein wunderbares Beispiel, dass Service sich nicht nur auf den Speisewagen an sich beschränkt, sondern von Herzen kommt, dass die Gastgeberrolle gelebt wird und das Umsorgen in schwierigen Fällen keinesfalls selbstverständlich ist. Für Frau Scherer war das offensichtlich ein Tag wie jeder andere auch und dennoch hat sie sich vollkommen unkompliziert und fürsorglich um das Ehepaar Gill an Bord gekümmert. Es zeigt, dass Mitarbeiterinnen wie Frau Scherer neben einem schon sehr komplexen und physisch sehr anstrengenden Beruf auch ihre ganz persönliche Note einbringen. Den Gästen aus England blieb diese Reise sehr positiv im Gedächtnis.“ Markus Huke (Gruppenleiter Gastronomie, Deutsche Bahn Fernverkehr Hannover)