Themen: Infrastruktur

Verhandlungsendspurt: Qualität des deutschen Schienennetzes sichern

Die Gespräche in den Gremien des Deutschen Bundestags über die Zukunft und Qualität des Schienenbestandsnetzes in Deutschland erreichen nach diesem Sommer ihre entscheidende Phase. Zum 1. Januar 2009 soll die sogenannte „Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung“ (LuFV) in Kraft treten. Das Vertragswerk regelt zwischen Bund und Deutsche Bahn den Erhalt und die Finanzierung der Schienenwege. Die drei Spitzenverbände der Bahnbranche in Deutschland begrüßen in einer gemeinsamen Erklärung die LuFV und stellen ein gemeinsames 11-Punkte-Papier vor. Darin mahnen die Allianz pro Schiene, der Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) e.V. und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) aber auch nötige Korrekturen an.

Berlin, 10.09.2008 – Für die drei Spitzenverbände der Bahnbranche entscheiden die kommenden Monate maßgeblich mit über Deutschlands Zukunft als Schienenverkehrsstandort. Grund hierfür sind die Beratungen führender Verkehrs- und Haushaltspolitiker über die endgültige Vertragsfassung der LuFV. Die Verbände begrüßen zwar die Absicht der Bundesregierung, für den Erhalt des Bundesschienennetzes eine ergebnisorientierte LuFV abzuschließen. „Die vom Bund vorgesehenen Mittel in Höhe von 2,5 Mrd. Euro basieren auf dem Preisniveau von 2001 und sind bei weitem nicht ausreichend“, sagt Claudia Langowsky, VDV-Hauptgeschäftsführerin. Des Weiteren kritisiert die VDV-Hauptgeschäftsführerin Pläne des Bundesfinanzministeriums, einen Teil der Mittel in Darlehen umzuwandeln. „Nur wenn die Mittel ausschließlich als nichtrückzahlbarer Zuschuss gewährt werden, kann die Qualität des deutschen Schienennetzes gesichert werden.“ Auch dürften neue Technologien wie das europäische Leit- und Sicherungssystem ETCS nicht aus LuFV-Mitteln finanziert werden, sondern müssten eine gesonderte Finanzierung erhalten.

Die drei Verbände sind sich einig, dass der Erhalt und die Steigerung der Leistungsfähigkeit des Schienennetzes eine herausragende strategische Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland hat. Nach Ansicht von Allianz pro Schiene-Geschäftsführer Dirk Flege müssen „Qualitätskennzahlen und damit verbundene Sanktionen mindestens auf Teilnetze bezogen sein.“ Ein Bezug der Kennzahlen „nur auf das Gesamtnetz“ reiche nicht aus. „Auch muss auf jeden Fall die aktuelle Gleislänge in die LuFV aufgenommen werden und zwar ohne Spielraum für Kürzungen“, fordert der Allianz pro Schiene-Geschäftsführer. Flege: „Die Schrumpfbahn muss endlich raus aus den Köpfen der Entscheidungsträger. Für die energieeffizienten und umweltschonenden Bahnen gehören jetzt alle Weichen auf Wachstum gestellt.“

Die bislang in den LuFV-Entwürfen vorgeschlagenen Qualitätskennzahlen zur Messung der Netzqualität halten die drei Branchenverbände für sinnvoll, allein aber nicht für ausreichend. VDB-Hauptgeschäftsführer Ronald Pörner plädiert deshalb nachdrücklich für den Einsatz eines ergänzenden Monitoring-Tools. „Mindestens Aussagen zum Alter der Anlagen des Netzes, besser noch zu deren Restlebensdauer, zu Störungen und zur Verfügbarkeit müssen transparenter Teil des Netzzustandsberichts werden und sich in die LuFV wiederfinden“, fordert Pörner. Er begrüßt aber die für die Messung der Bahnhofsqualität vorgesehenen Kennzahlen, sofern diese sich am Kundenbedarf orientieren.

Die drei Verbände weisen auf die große Bedeutung hin, die der Schienenverkehr für die deutsche Volkswirtschaft hat. Voraussetzung dafür sei ein weiterhin leistungsfähiges und ausfinanziertes Schienenbestandsnetz. Es würde bedeuten, am falschen Ende zu sparen, wenn jetzt durch die LuFV nicht die nötigen Weichenstellungen vorgenommen würden, erklären die drei Branchenverbände.

11-Punkte-Erklärung von Allianz pro Schiene e.V., Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) e.V. und Verband Deutscher Verkehrsunternehmer (VDV) e.V. zur „Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV)“ zwischen Bund und Deutsche Bahn AG:

  1. Die Absicht der Bundesregierung, für die Erhaltung des Bundesschienennetzes eine Output-orientierte LuFV abzuschließen, wird begrüßt.
  2. 2,5 Mrd. Euro pro Jahr als Bundesbeitrag sind aus zwei Gründen nicht ausreichend: Durch die Veranschlagung des Jahres 2001 als Preisbasis ist bereits ein deutlicher Wertverlust eingetreten. Ein weiterer Wertverlust durch Inflation ist absehbar. Bei Verpflichtung des Infrastrukturbetreibers zur Gewährleistung einer definierten Infrastrukturqualität für alle Netzbestandteile (Punkt 5) sind deutlich höhere Zuschüsse als 2,5 Mrd. Euro pro Jahr erforderlich.
  3. LuFV-Mittel müssen ausschließlich als nichtrückzahlbarer Zuschuss gewährt werden, nicht als Darlehen.
  4. Neue Techniken wie ETCS dürfen nicht aus LuFV-Mitteln finanziert werden; stattdessen muss eine gesonderte Finanzierung bereit gestellt werden.
  5. Qualitätskennzahlen und damit verbundene Sanktionen müssen mindestens auf Teilnetze bezogen sein. Ein Bezug der Kennzahlen nur auf das Gesamtnetz reicht nicht aus. Der Zuschnitt der Teilnetze soll es ermöglichen, dass Ersatzinvestitionen und Instandhaltungsmaßnahmen in wirtschaftlich sinnvollen Einheiten durchgeführt werden können.
  6. Bislang vorgeschlagene Qualitätskennzahlen wie Fahrzeitverlust und Standardsignalabweichung zur Messung der Netzqualität sind sinnvoll. Der Aspekt Entwicklung der Kapazität des Netzes wird durch die vorgeschlagenen Qualitätskennzahlen allerdings nicht hinreichend abgebildet. Um kurzfristig zu einer besseren Berücksichtigung des Kapazitätsaspekts zu kommen, sollte die LuFV auch Vorgaben zum Netzumfang (Bezug: Gleislänge) im Status Quo enthalten, und zwar ohne Spielraum für Kürzungen. Perspektivisch muss eine Folge-LuFV umfassendere Qualitätskennzahlen zur Kapazität des Gesamtnetzes und von Teilnetzen enthalten. Die drei Verbände fordern den Bund auf, die Entwicklung einer geeigneten Methodik im Dialog mit der Branche unmittelbar einzuleiten.
  7. Reporting anhand eines Monitoring-Tools mit Aussagen zum Anlagenalter des Netzes, Störungen und Verfügbarkeit muss Teil des Netzzustandsberichtes werden.
  8. Die Entwicklung des Anlagenalters sollte in der LuFV mit den Endschaftsregelungen verknüpft werden.
  9. Für die Messung der Qualität der Bahnhöfe vorgesehene Qualitätskennzahlen sind grundsätzlich zu begrüßen. Eine kundenorientierte Konkretisierung ist sicherzustellen.
  10. Die nachhaltige Objektivität und Transparenz der Daten und Kennzahlen muss sichergestellt sein.
  11. Anfangs erscheint eine Laufzeit von etwa 5 Jahren für die LuFV als sinnvoll; sie sollte nach dem Vorliegen von Erfahrungen bei Vertragsverlängerungen jedoch für einen längeren Zeitraum gelten.

Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) e.V.
Der Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) e.V. ist der Industrieverband der Bahntechnikhersteller am Standort Deutschland. Er vertritt die Interessen von mehr als 110 Unternehmen, von weltweit führenden Systemhäusern ebenso wie von spezialisierten mittelständischen Unternehmen. Die Mitglieder des VDB entwickeln und fertigen Systeme und Komponenten für Schienenfahrzeuge und Infrastruktur mit über 40.000 Beschäftigten in Deutschland. Durch Ihre Technologie sorgen sie weltweit mit exzellenten und wirtschaftlichen Bahnsystemen für mehr nachhaltigen Verkehr auf der Schiene.

Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV)
Im Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sind mehr als 600 Unternehmen des Öffentlichen Personenverkehrs und des Schienengüterverkehrs organisiert. Täglich ersetzen Busse und Bahnen über 18 Millionen Autofahrten und 77.000 voll beladene Lkw. So sorgen der VDV und seine Mitgliedsunternehmen dafür, dass Deutschland nachhaltig mobil bleibt!

Allianz pro Schiene e.V.
Die Allianz pro Schiene ist das Bündnis in Deutschland zur Förderung des umweltfreundlichen und sicheren Schienenverkehrs. In dem Bündnis haben sich 16 Non-Profit-Verbände zusammengeschlossen: die Umweltverbände BUND, NABU, Deutsche Umwelthilfe und NaturFreunde Deutschlands, die Verbraucherverbände Pro Bahn, DBV und VCD, die Automobilclubs ACE und ACV, die drei Bahngewerkschaften TRANSNET, GDBA und GDL sowie die Eisenbahnverbände BDEF, BF Bahnen, VBB und VDEI. Die Mitgliedsverbände vertreten mehr als 2 Millionen Einzelmitglieder. Unterstützt wird das Schienenbündnis von 80 Unternehmen der Bahnbranche.