Interview - Jung und umweltfreundlich mobil: BUNDjugend

„Die "Generation Greta" ist keine homogene Masse“

Leo und Chris von der BUNDjugend im Interview mit der Allianz pro Schiene

Seit 2019 ist die BUNDjugend als Gruppe im Thema Verkehrswende/Mobilität aktiv. Den Anfang machte ein Forderungskatalog, der eine Basis für BUNDjugend-interne und öffentliche Diskussion rund um das Thema Mobilität bildet. Die Aktiven stellten schnell fest, dass sie mehr bewegen wollen und können als dieses eine Projekt. Aus der Projektgruppe ist mittlerweile ein Arbeitskreis entstanden, in dem sich mehr als 10 bundesweit verteilte Aktive engagieren. Neben solchen Interviews beschäftigen sie sich beispielsweise mit der Erarbeitung von Workshops, der Wissensvermittlung und der Planung und Umsetzung von Aktionen.

Interview von Jonas Ölke

 

Das Umweltbewusstsein hat in Deutschland zuletzt insbesondere bei Kindern und Jugendlichen stark zugenommen. Gleichzeitig kaufen die Älteren fleißig SUVs. Müssen wir für die Mobilitätswende einfach auf das Erwachsenwerden der Generation Greta warten?

Chris: Die Mobilitätswende ist bereits in vollem Gange. Es wird, egal bei welcher Veränderung, immer ein paar Menschen geben, die ihren Luxus, Bequemlichkeit oder Gewohnheit nicht aufgeben wollen. Doch ist ein großer Teil der Gesellschaft mittlerweile davon überzeugt, dass wir etwas tun müssen um uns und unsere Erde zu schützen. Zudem bin ich davon überzeugt, dass der Wille zur Veränderung in den jüngeren Teilen der Gesellschaft verwurzelt ist und nicht bei ihnen aufhört.

Leo: Die „Generation Greta“ ist keine homogene Masse und es sind auch nicht nur „die Älteren“, die durch ihren Lebensstil massiv zur Klimakrise beitragen. Es geht hier längst nicht nur um die Entscheidung für oder gegen einen SUV, für eine umfassende Mobilitätswende sind viel größer gedachte Veränderungen nötig. Es geht hier auch und insbesondere um die Abschaffung von Privilegien und die Bekämpfung sozialer Ungerechtigkeit. Ich hoffe sehr, dass meiner Generation ein Umdenken gelingt und wir einen sozial-ökologischen Systemwandel weiter vorantreiben werden.

Leo wohnt in der Nähe von Bremen und ist seit 2018 Bundesvorstandsmitglied der BUNDjugend und im Arbeitskreis Mobilität aktiv. Ihn stört, dass sozial und ökologisch so selten zusammengedacht wird und möchte im Rahmen seines Engagements vielfältige Diskurse rund um den Zusammenhang zwischen Mobilität und sozialer Gerechtigkeit anstoßen.

 

Chris ist seit 2019 in der BUNDjugend aktiv und Gründungsmitglied des Arbeitskreises Mobilität. Das Thema Mobilität brachte ihn Anfang 2019 erst so richtig in die BUNDjugend und ist seitdem fest in ihm verwurzelt. Außerdem ist er noch aktiv in den Themen Digitalisierung und Klimaschutz und sucht stets nach Möglichkeiten die Welt ein Stückchen besser zu machen.

 

Mehr zu den Aktivitäten des Arbeitskreises Mobilität der BUNDjugend hier.

Nehmen wir an, die Transformation zu einem nachhaltigen, klimaneutralen Verkehrssektor gelingt. Welche Vorteile würde das insbesondere für Kinder und Jugendliche bringen?

Chris: Eine umfassende Mobilitätswende ist nicht nur eine Frage des Klimaschutzes. Insbesondere in den größeren Städten würde sich das Leben für junge Menschen drastisch ändern. Straßen wären nicht länger eine Gefahrenzone, die ehemaligen Auto-Stellplätze könnten als Spiel,- und Freizeitplätze genutzt werden und das Taschengeld muss nicht länger für Fahrtickets ausgegeben werden. In ländlichen Räumen müssten Jugendliche nicht mehr darauf warten endlich 18 zu werden, die Führerscheinprüfung zu bestehen und im besten Fall das erste Auto von den Eltern finanziert zu bekommen. Denn jede benachbarte Stadt ist durch den flächendeckenden Ausbau und eine engere Taktung des ÖPNV’s unproblematisch und entgeltfrei zu erreichen.

 

Wie gestaltet sich die Alltagsmobilität eines Grundschulkindes in einem solchen Zukunftsszenario?

Leo: Ein Grundschulkind müsste den Schulweg nicht mehr auf zugeparkten Fuß- und Radwegen meistern und auch die Überquerung viel befahrener Straßen wäre nicht mehr nötig. In den autofreien Innenstädten von morgen kann jedes Grundschulkind ohne Angst den Schulweg zu Fuß, auf dem Tretroller oder Fahrrad zurücklegen und nach der Schule auf den großen Spielplätzen, auf der Straße oder in Parks spielen. Auch die sichere und selbstständige Fortbewegung zur weiter entfernten Schule oder für Freizeitaktivitäten sind mit dem gut ausgebauten ÖPNV kein Problem. Spätestens mit 8 Jahren kann jedes Grundschulkind durch praxisorientierten Verkehrserziehungsunterricht jeden Alltagsweg selbstständig meistern.

 

Heute fahren sechs- bis 17-Jährige anteilig öfter im „Elterntaxi“ mit als noch zu Anfang des Jahrtausends, während die Nutzung des öffentlichen Verkehrs stagniert. Trauen „Helikopter-Eltern“ ihren Kindern schlicht zu wenig zu?

Leo: Zugeparkte Rad- und Fußwege sind ein massives Problem und wenn sechsjährige in Großstädten mehrfach umsteigen müssen, um ihr Ziel zu erreichen, verstehe ich persönlich die Sorge mancher Eltern und Erziehungsberechtigten. Es mag durchaus auch Eltern geben, die ihren Kindern aus Sorge auch die Frei- und Lernräume nehmen, hier möchte ich mir aber kein pauschales Urteil erlauben! Da die Aktiven der BUNDjugend zwischen 14 und 27 Jahren alt sind und meist selbstständig zu BUNDjugend-Veranstaltungen anreisen, habe ich mich mit der Thematik „Eltern-Taxi“ bisher kaum auseinandergesetzt.

Was können Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen schon heute tun um den öffentlichen Verkehr für Kinder und Jugendliche attraktiver zu gestalten?

Chris: Es mag plakativ klingen, doch sind die Realisierung eines entgeltfreien ÖPNV’s und der Ausbau dessen, besonders für junge Menschen die wichtigsten Stellschrauben. Hier gibt es bereits in vielen Gemeinden und Städten diesbezüglich schon Erfolge zu verzeichnen oder zumindest gute Impulse in diese Richtung, wie z.b. günstige Abotickets oder alternative Konzepte. Bis auch der Fernverkehr flächendeckend entgeltfrei nutzbar ist, sind hier besondere Angebote wie z.b. Ferien,- oder Kombi-Tickets für die Fahrt mit Freund*innen nie verkehrt – auch hier gibt es bereits bestehende Angebote, doch müssen diese noch weiter ausgebaut und aktiver beworben werden.

 

Je ländlicher die Region, desto mehr Zeit verbringen Kinder und Jugendliche als Mitfahrer im PKW. Aufgrund mangelnder Mobilitätsangebote sind sie hier ungleich abhängiger von der Verkehrsträgerwahl der Eltern als ihre Altersgenossen in urbanen Ballungsräumen. Wie können Kinder und Jugendliche auch auf dem Land zu mehr Selbständigkeit in der Fortbewegung befähigt werden?

Leo: Land ist nicht gleich Land. Ich persönlich wohne beispielsweise relativ ländlich und die Busverbindungen sind nicht alltagstauglich, es gibt aber einen Bahnhof in erreichbarer Nähe, an dem stündlich eine Regionalbahn hält. An anderen Orten ist das ÖPNV-Netz so schlecht, dass viele Wege ohne Auto gar nicht oder nur unter enormen Zeitaufwand zu bewältigen sind. Ein weiteres Problem sind die Preise für Nahverkehrstickets: Die Tarifzonen orientieren sich oft an Stadt- oder Gemeindegrenzen. Momentan gibt es im ländlichen Raum kaum Alternativen zum PKW, da der ÖPNV viel zu teuer und kaum alltagstauglich ist. Insbesondere für Kinder und Jugendliche ist damit ein selbstständiger Mobilitätsalltag nicht möglich. Da die Wege zur Schule, zu Freund*innen oder Freizeitangeboten in ländlichen Regionen oft zu lang für Fuß und Fahrrad sind, ist ein umfassender Ausbau des ÖPNVs dringend nötig!

Bestehende Verbindungen müssen besser ausgelastet werden, es braucht gut ausgebaute Netze und viel engere Taktungen. Je nach Region kann der verstärkte Einsatz von Kleinbussen und/oder Bedarfshaltestellen für schwächer frequentierte Verbindungen eine Lösung sein.

 

Die Kultusministerkonferenz sieht Mobilitäts- und Verkehrserziehung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Bildungseinrichtungen sollen mit außerschulischen Partnern kooperieren. Was können Verbände, Verkehrsunternehmen und –verbünde tun um hier einen Beitrag im Sinne einer nachhaltigen Mobilitätswende zu leisten?

Leo: Da sich unsere Angebote an ältere Jugendliche richten, habe ich mich innerhalb der BUNDjugend noch nicht so intensiv mit dem Thema Verkehrserziehung beschäftigt. Meiner Ansicht nach, sollte der Bildungsauftrag nicht am Schultor enden. Beispielsweise könnte im Verkehrserziehungsunterricht neben dem üblichen „Fahrradführerschein“ auch ein „Praxistraining“ im ÖPNV stattfinden. Neben Verkehrssicherheit sollte es hier auch um Empowerment und Unterstützung in Gefahren- und Konfliktsituationen gehen.
Auch Kooperationen mit Verbänden und Verkehrsunternehmen für Aktionstage, Ausflugsangebote oder Verlosungen von Freizeittickets und BahnCards o.ä. könnten vielleicht dabei helfen, nachhaltige Mobilitätsangebote für junge Menschen zugänglicher und attraktiver zu machen.

 

Zum Abschluss ein Gedankenspiel: Sie werden zum Bundesminister für Verkehr ernannt. Was ist Ihre erste Amtshandlung?

Leo: Gut ausgebauter, kostenloser ÖPNV für alle! Alle Städte mit mehr als 20.000 Einwohner*innen bekommen eine Autofreie Innenstadt, ehemalige Straßen und Parkplätze werden zu Spielstraßen und Parkanlagen.

Chris: Sharing-Angebote stärker subventionieren und die Kooperation mit Verkehrsunternehmen ausbauen. Hier kann und sollte bestehende Infrastruktur für mehrere Konzepte gleichzeitig genutzt werden.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

 

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