„Entscheidungsprozesse bei der Elektrifizierung müssen beschleunigt werden“

Elektrifizierung der Bahn benötigt nicht nur mehr Geld, sondern mehr Tempo / Abkehr von langwieriger Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) im Bedarfsplan gefordert

Nur 61 Prozent der Schienen sind in Deutschland elektrifiziert. Das Ziel der Bundesregierung lautet 75 Prozent bis 2030.
Die Elektrifizierung des Bundesschienennetzes verläuft seit Jahren schleppend.

Berlin, 18.03.2022. Die gemeinnützige Allianz pro Schiene und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) haben eine Beschleunigung der Entscheidungsprozesse bei der Elektrifizierung von Bahnstrecken angemahnt. „Der Bund muss bei der Strecken-Elektrifizierung erheblich schneller werden, um die gesteckten Ziele zu erreichen“, sagte Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene. Bis 2030 sollen laut Koalitionsvertrag 75 Prozent des Bundesschienennetzes elektrifiziert sein. Derzeit ist das 33.400 Kilometer umfassende Streckennetz erst zu gut 61 Prozent elektrifiziert. In den letzten Jahren wurden im Schnitt nur 65 Kilometer jährlich neu mit Oberleitungen ausgestattet. „Um 75 Prozent zu erreichen, müssen nach unseren Berechnungen künftig jährlich 500 km neu elektrifiziert werden,“, so Flege.

Dafür seien nicht nur mehr Gelder, sondern vor allem beschleunigte Entscheidungsprozesse auf der Bundesebene notwendig, sagte Martin Henke, VDV-Geschäftsführer Eisenbahnverkehr. Allianz pro Schiene und VDV fordern bei Elektrifizierungsmaßnahmen eine generelle Abkehr von der zeitraubenden einzelfallbezogenen Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) bei Bedarfsplanprojekten, auf der der Bund bislang besteht, bevor ein Projekt in die Umsetzung gehen kann. „Wir wissen, dass ab einer Mindestzahl von Zugfahrten die Elektrifizierung einer Strecke volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Das müssen wir nicht in jedem Einzelfall immer wieder neu rechnen, dazu reichen pauschale Schwellenwerte“, betonte Henke. „Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass der Ausbau elektrifizierter Bahntrassen im öffentlichen Interesse liegt und dass dies auch gesetzlich festgeschrieben wird“, sagte Flege. „Dies muss jetzt so rasch wie möglich umgesetzt werden, damit künftig die NKU entfallen kann, die uns jedes Mal mindestens ein bis zwei Jahre Zeit kostet“. Praktisches Beispiel: „Was soll eine Elektrifizierungs-NKU bei Strecken, wo intensiver Personen- oder Güterverkehr herrscht, die aber heute mangels Oberleitung noch mit Diesel betrieben werden?“, so Flege.

„Mehr Tempo bei der Elektrifizierung ist nicht nur aus Klimaschutzgründen sinnvoll“, so Flege weiter. Der Krieg in der Ukraine habe uns drastisch vor Augen geführt, dass wir unsere energiepolitische Abhängigkeit reduzieren müssen. Im Verkehrssektor komme der Verlagerung auf die Schiene eine Schlüsselrolle zu: Ein Transport auf der Schiene hat einen 5,5-mal geringeren Energieverbrauch als der Transport mit dem Lkw, so Flege. Um künftig deutlich mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern, muss die Kapazität des Schienennetzes ausgebaut werden. Flege: „Auch dafür ist die rasche Elektrifizierung weiterer Strecken wichtig, denn sie macht das Schienennetz flexibler und damit leistungsfähiger.“

Um den Bau von Oberleitungen zu vereinfachen, hat der VDV zusätzlich eine Reihe von technischen Vorschlägen erarbeitet. So sollte die Bauart von Oberleitungen künftig besser an die jeweiligen Anforderungen der Betriebsführung von Strecken angepasst werden. „Nebenbahnen mit einer Streckengeschwindigkeit von 80 km/h müssen nicht zwingend mit Fahrleitungen elektrifiziert werden, die auch für 200 km/h geeignet sind“, sagte Henke.

Die Verbände halten die im Koalitionsvertrag bereits angekündigte Beschleunigungskommission Schiene für ein gutes Forum, um weitere Beschleunigungsmaßnahmen zu identifizieren. Leider stehe die Zusammenstellung der Kommission sowie Zeit- und Arbeitsplan noch aus. Flege und Henke: „Wir möchten so schnell wie möglich starten. VDV und Allianz pro Schiene stehen bereit.“

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