Schiene: Nahverkehr bereitet Abschied vom Diesel vor

Triebzüge der Zukunft: Branchenvision formuliert Leistungsmerkmale

Abschied vom Diesel: Die Bahnbranche hat eine Vision für den deutschen Nahverkehr auf der Schiene: Die Triebzüge der Zukunft fahren emissionsfrei, kuppelbar, barrierefrei und denken ihr nächstes Upgrade bereits mit.
Die Bahnbranche hat eine Vision für den deutschen Nahverkehr auf der Schiene: Die Triebzüge der Zukunft fahren emissionsfrei, kuppelbar, barrierefrei und denken ihr nächstes Upgrade bereits mit.

Berlin, den 25. April 2018. Die Bahnbranche hat eine unternehmensübergreifende Vision entwickelt, wie die Triebzüge der Zukunft gebaut sein müssen, damit der Nahverkehr seinen Abschied vom Diesel einläuten kann. Danach sind die Fahrzeuge der nächsten Generation auf allen Strecken zu 100 Prozent elektromobil unterwegs. Auch auf nicht elektrifizierten Strecken fahren sie ab Ende 2024 mit alternativen Antrieben. Die neuen Fahrzeuge sind flexibel im Flottenverband einsetzbar, barrierefrei auch bei unterschiedlichen Bahnsteighöhen und für technische Upgrades vorbereitet. Eine vierseitige Branchenvision, die von maßgeblichen Verbänden und Unternehmen getragen wird, stellten Allianz pro Schiene und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zusammen mit führenden Vertretern von Siemens, Bombardier, Alstom und der Deutschen Bahn am Mittwoch der Öffentlichkeit vor.

Ferlemann: Zwei große Aufgaben im Verkehr

„Der Koalitionsvertrag gibt uns zwei große Aufgaben: die Verdopplung der Fahrgastzahlen bis 2030 und gleichzeitig die Erreichung der Klimaziele. Das schaffen wir nur, wenn wir den Personenverkehr auf der Schiene nachhaltig ausbauen und auf alternative Antriebe setzen. Dabei ist die Brennstoffzelle eine Schlüsseltechnologie der Mobilität 4.0. So sind schon bald Züge auf Strecken ohne Oberleitungen emissionsfrei unterwegs“, betonte Enak Ferlemann, der neue Schienenbeauftragte der Bundesregierung und Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Es sei höchste Zeit, dass Politik und Verkehrssektor gemeinsam die Mobilität 4.0 angehen und wichtige Impulse für die Antriebswende setzen.

Allianz pro Schiene: Elektrifizierung und alternative Antriebe zusammen denken

„Die Bahnbranche ist hier im Machermodus“, sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege bei der Vorstellung des Papiers. „Der Sektor traut sich zu, ab Ende 2024 bei neuen Nahverkehrstriebwagen auf reinen Dieselantrieb zu verzichten.“ Neben der Elektrifizierungsoffensive für das deutsche Schienennetz verspreche der Koalitionsvertrag auch eine Förderung alternativer Antriebe. „Beide Maßnahmen denken wir zusammen: Auch wenn die Politik bis 2025 rund 70 Prozent des Netzes elektrifiziert haben will, wollen wir danach schrittweise auch die restlichen 30 Prozent emissionsfrei befahren können, sei es mit alternativen Antrieben oder weiteren Elektrifizierungen. Wenn Politik und Bahnbranche jetzt gemeinsam entschlossen agieren, wird der gesamte Personenverkehr auf der Schiene bis 2050 komplett CO2-frei sein.“ 

VDV: Verkehrsunternehmen und Aufgabenträger peilen Fahrplanwechsel 2024 an

„Wer die Energiewende will, muss sich ernsthaft mit dem Ausstieg aus dem Dieselantrieb beschäftigen. Die Verkehrsunternehmen und Aufgabenträger sind sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst: Wir setzen verstärkt auf alternative Antriebe, indem wir den Ausbau elektrifizierter Strecken vorantreiben und Wasserstoffzüge einsetzen. Alleine für den RMV sind 26 Brennstoffzellen-Fahrzeuge für den Einsatz ab 2022 in der Ausschreibung“, sagte VDV-Vize Präsident Knut Ringat und betonte, dass dies ein ehrgeiziges Ziel sei. Gleichzeitig nahm er die Industrie in die Pflicht: „Aufgrund der oftmals jahrelangen Vorlaufzeit bei Ausschreibungen brauchen wir serienreife Fahrzeuge mit alternativen Antrieben.“ All diese Eckpunkte seien in der Branchenvision festgeschrieben worden. Ringat verwies auch auf das Dauerthema Bahnsteighöhen. „Wir sollten uns nicht in eine Diskussion verwickeln lassen, ob Bahnsteige 55 oder 76 Zentimeter hoch sein müssen. Für die Fahrgäste zählt, dass wir so schnell wie möglich an allen Stationen eine Mindesthöhe von 55 Zentimeter erreichen.“

Siemens: Bahnindustrie arbeitet an serienreifen Alternativen zum Dieseltriebzug

„Die Bahnindustrie arbeitet mit Hochdruck an der Serienreife von Alternativen zum Dieseltriebzug“, sagte der Leiter von Siemens Mobility Deutschland, Manfred Fuhg, der zugleich auch Förderkreissprecher der Allianz pro Schiene ist. „Noch in diesem Jahr werden die ersten Wasserstoffzüge den Fahrgastbetrieb aufnehmen. Auch bei den Batterietriebzügen wollen die Hersteller in Kürze mit dem Probebetrieb beginnen.“

Die Branchenvision in Kürze: Vier Leistungsmerkmale für die Triebzüge der Zukunft

Emissionsfreiheit: Elektromobilität geht auch ohne Oberleitung. Weil Deutschland nicht sein ganzes Netz kurzfristig elektrifizieren kann, wollen Fahrzeughersteller Triebzüge zur Serienreife bringen, die alle Leistungen klassischer Dieseltriebzüge zu 100 Prozent emissionsfrei erbringen. Batteriefahrzeuge sollen eine Strecke von 50 Kilometern ohne Zwischenladung fahren können, Brennstoffzellenfahrzeuge schaffen sogar 1000 Kilometer mit einer Wasserstoff-Tankfüllung. Der Sektor traut sich zu, ab dem Fahrplanwechsel 2024 bei neuen Nahverkehrstriebwagen auf reinen Dieselantrieb völlig zu verzichten.

Flotten-Flexibilität: Wer heute einen Zugverband aus unterschiedlichen Baureihen zusammenstellen will, stößt an Grenzen. Verschiedene Fahrzeugtypen und sogar verschiedene Bauserien desselben Fahrzeugtyps sind oft nicht miteinander kombinierbar. Die Bahnbranche setzt sich für die neue Fahrzeuggeneration ein klares Ziel: universale Kuppelbarkeit. Dann können Züge schnell und flexibel länger werden, wenn zu Stoßzeiten die Plätze knapp werden.

Barrierefreiheit: Preisfrage: Welche Höhe haben die Bahnsteige in Deutschland? Antwort: Es kommen praktisch alle Varianten vor: von ebenerdig bis zu 96 Zentimetern Bahnsteighöhe. Weil wir mit dieser historisch gewachsenen Vielfalt leben müssen und die Barrierefreiheit trotzdem gesichert sein soll, arbeiten die Fahrzeughersteller an Zügen, die mit den beiden gebräuchlichsten Höhen von 55 Zentimetern und 76 Zentimetern stufenfrei zurechtkommen. Solche Bahnsteig-multiplen Fahrzeuge sollen bis 2022 entwickelt sein.

Upgrade inbegriffen: Digitalisierung ist ein Lieblingswort der Unternehmen und der Politik, doch wohin mit all den neuen Kabeln? Der Bahnsektor ist stolz darauf, dass Fahrzeuge 30 Jahre unterwegs sein können. Zukünftig wollen die Fahrzeughersteller dafür sorgen, dass genug Platz für noch ganz ungeahnte Innovationen eingeplant wird. Bei der IT-Ausstattung, beim Innenraum und beim Energiespeicher muss das Upgrade gleich mitgedacht werden. Sonst wird lange Lebensdauer schnell zum Bremsklotz.

 

Inhaltlich getragen wird die Branchenvision von allen Mitgliedsverbänden der Allianz pro Schiene, der DB AG, Siemens, Bombardier, Alstom, dem VDV und mofair.

 

Weitere Informationen

Die komplette Branchenvision: Der Nahverkehrszug der nächsten Generation

Video: Enak Ferlemann zur gemeinsamen Branchenvision

Film: Elektromobilität und alternative Antriebe

Videomitschnitt der gesamten Rede von Enak Ferlemann

Reportage der Veranstaltung vom Wirtschaftsmagazin bahn manager

Fotos vom Fachgespräch