„Fußgänger schalten keine Anzeigen“

Medienanalysen: Das Auto ist der Zeitungen liebstes Kind

Bus und Bahn: Nebenrolle in den Medien.

Berlin. Zum Abschluss der diesjährigen Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) bemängelt die Allianz pro Schiene, dass die Trendwende in der Mobilität der Deutschen bei den großen Zeitungen und Verlagen immer noch nicht angekommen sei. „Zehn Tage lang ist die Öffentlichkeit mit Meldungen aus der Blechecke regelrecht zugeschüttet worden“, sagte Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene. „Statt kritisch nachzufragen, haben willige Motorjournalisten die IAA nun schon im zweiten Mal in Folge zur pseudo-grünen Veranstaltung hochgejubelt.“ Die umweltfreundlichen Alternativen zum Auto seien in der Berichterstattung völlig ausgeblendet worden.

Flege verwies auf die jüngste Medienresonanzanalyse der Deutschen Energie Agentur (dena), nach der in den Mobilitätsteilen der überregionalen und großen regionalen Tageszeitungen das Auto eine Dominanz behauptet, die seinem tatsächlichen Gewicht im Alltag nicht entfernt entspricht. Der Dena-Analyse zufolge war die Berichterstattung über Mobilität zu 95 Prozent durch den Motorisierten Individualverkehr (Pkw und motorisierte Zweiräder) geprägt, nur fünf Prozent der Artikel erwähnten den sonstigen Personenverkehr: Fahrräder, öffentlicher Verkehr, Taxis oder Fußwege spielen eine traurige Nebenrolle. In fast 60 Prozent der Artikel wurde dem Leser sogar eine bestimmte Pkw-Marke vorgestellt. „Fußgänger schalten eben keine Anzeigen“, sagte Flege. Insofern sei die verzerrte Berichterstattung pro Auto direkt ökonomisch motiviert.

Der Medienanalyse zufolge entspricht die mediale Wirklichkeit dem tatsächlichen Verhalten der Bürger keineswegs. Während das Auto in 95 Prozent der Artikel dominiert, benutzen nur 61 Prozent der Menschen überwiegend das Auto. Noch deutlicher ist die Kluft beim Öffentlichen Personenverkehr, den immerhin 8 Prozent der Menschen überwiegend nutzen. In den analysierten Zeitungen kommt er auf eine Quote von einem Prozent. Ein Prozent der Erwähnungen gelten auch Fußgängern, obwohl immerhin 23 Prozent der Deutschen diese Art der Mobilität bevorzugen.

„Zeitungen sind demnach aktive Mittäter in der verkehrspolitischen Zementierung des Ewig-Gestrigen“, sagte Flege und beklagte „eine unheilige Allianz aus einseitiger Berichterstattung und Status-quo-orientierter Politik“. Flege: „Die Menschen sind teilweise weiter als viele Medien und Politiker. Sie nutzen zunehmend Bus und Bahn, fahren vermehrt Fahrrad oder gehen zu Fuß. Der Umweltverbund ist auf dem Vormarsch, während Politik und Medien weiterhin ums goldene Kalb, das Automobil, tanzen“. Erst kürzlich hatten Wissenschaftler in der breit angelegten Studie „Mobilität in Deutschland“ herausgefunden, dass insbesondere bei jüngeren Erwachsenen „der Fetisch Automobil an Bedeutung verliert“, so infas-Studienleiter Robert Follmer.

Flege bezeichnete es auch als „grassierende Unsitte“, dass im Rundfunk Blitzerwarnungen ausgegeben würden. „Was sind das für Signale? Will man sich zum Kumpel von Rasern machen? Menschen werden auf diese Weise dazu gedrängt, Tempolimits als reine Schikane wahrzunehmen“, bemängelte der Allianz pro Schiene-Geschäftsführer.

Die Allianz pro Schiene ist das Bündnis in Deutschland zur Förderung des umweltfreundlichen und sicheren Schienenverkehrs. In dem Bündnis haben sich 16 Non-Profit- Verbände zusammengeschlossen: die Umweltverbände BUND, NABU, Deutsche Umwelthilfe und NaturFreunde Deutschlands, die Verbraucherverbände Pro Bahn, DBV und VCD, die Automobilclubs ACE und ACV, die drei Bahngewerkschaften TRANSNET, GDBA und GDL sowie die Eisenbahnverbände BDEF, BF Bahnen, VBB und VDEI. Die Mitgliedsverbände vertreten mehr als 2 Millionen Einzelmitglieder. Unterstützt wird das Schienenbündnis von 93 Unternehmen der Bahnbranche.