Bronze: Mohammed Boujettou

Strahlender Sonnenschein. Nachmittags. Viele Familien und Ausflügler fahren in der Bahn von
Mohammed Boujettou wieder zurück in die Stadt. Eigentlich eine ruhige Strecke. Nicht so aber
an diesem Tag. Ein Gast wird ausfällig, beleidigt andere Reisende. Und unser Bronze-Gewinner,
seit 20 Jahren Kundenbetreuer bei der eurobahn, mittendrin. Durch seine offene, herzliche und
doch bestimmte Art schafft er es, den Gast ruhig zu stellen. Die Reisenden sind ihm dankbar und
nominieren ihn umgehend für den Eisenbahner mit Herz-Wettbewerb.

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Herr Boujettou, herzlichen Glückwunsch zum Bronze-Preis. Sind Sie nervös?

Ich habe noch nie ein Interview gegeben.

In einer anderen Situation haben Sie keine Nervosität gezeigt.

Da war keine Zeit. Ich musste meine Fahrgäste schützen. Aber für mich ist das Alltag, damit haben wir jeden Tag zu tun.

Wie sieht denn der Alltag bei Ihnen aus?

Das Schöne ist: In diesem Beruf gibt es keine normalen Arbeitstage. Es ist immer unterschiedlich, mal mit etwas Stress, mal ein ruhiger Tag. Ich kann nie vorher sagen, wie es wird.

Und an diesem besonderen Tag?

Zuerst war alles ganz normal. Ein sonniger Tag, viele Fahrgäste unterwegs. Ich bin in Altenbeken in den Zug nach Bielefeld eingestiegen. Ich bin zuerst einmal ganz durch den Zug gegangen, um mir einen Überblick zu verschaffen. Das mache ich immer so, denn die Fahrgäste haben oft Fragen, ein falsches Ticket oder sitzen sogar im falschen Zug. An diesem Tag ist mir ein Fahrgast gleich aufgefallen.

Warum?

Er saß ganz ruhig da, hatte keine Maske auf. Ich ermahnte ihn, und er sagte nur „Jaja, okay“. Ich dachte er hätte etwas getrunken, vielleicht stand er auch unter Drogen. Als wir losfuhren, geht er auf die Knie und beginnt mit rituellen Gebeten. Bevor er sich hingekniet hat, hat er mich gefragt, wie ich heiße. Okay, sagte er, dann bete ich jetzt für dich.

Das ist nicht alltäglich, oder?

Ganz und gar nicht, obwohl ich schon einiges erlebt habe. Dann begann er Fahrgäste anzusprechen und zu belästigen. Da habe ich eingegriffen und ihm gesagt, wir setzen uns jetzt hin und reden.

Warum das? Sie hätten doch einfach die Polizei rufen können.

Das ist richtig. Aber auf dem Land gibt es keine Bundespolizei, da kann ich nur die normale Polizei rufen und das dauert meist eine halbe Stunde, bis die da ist. Ich wollte aber, dass meine Fahrgäste ihren Anschluss in Bielefeld bekommen.

Wie ging es weiter?

Er hat sich geweigert sich zu setzen, hat nochmal einen kräftigen Schluck Wodka genommen und mich umarmt. Dann habe ich weiter Fahrkarten kontrolliert. In Detmold war inzwischen ein älterer Mann eingestiegen, der von einem Wanderausflug kam. Auf einmal bekam der Störenfried einen Wutanfall, hämmerte mit den Fäusten auf die Sitze und schrie durchs Abteil. Der Wanderer entfernte sich, der Störenfried hinterher, er schrie ihn an und biss sogar in seinen Wanderstock. Da bin ich dazwischen gegangen und habe ihn festgehalten. „Lass die Leute in Ruhe“, habe ich gesagt und ihn in dem Raum zwischen Fahrkartenautomat und Toilette gedrängt und den Ausgang blockiert.

War das nicht gefährlich?

Ich hatte ja keine Wahl. Er ist jeden Fahrgast angegangen, der ihn angeguckt hat. Nur vor mir hatte er irgendwie Respekt. Er hat danach ganz zutraulich gesagt: „Du bist mein Bruder.“ Ich habe gesagt: „Ja, ich bin sogar dein Vater, wenn du willst, Hauptsache, du bist jetzt ruhig.“ Das hat dann auch geklappt, auch wenn es noch lange 30 Minuten zwischen Detmold und Bielefeld waren.

Was war das Beste an diesem Tag?

Wir waren pünktlich in Bielefeld.

Vielen Dank für das Gespräch.