Themen: Infrastruktur

Zehn Minuten laden, 50 km fahren

Schnellladestation für Batteriezüge im Test. Interview mit den Entwicklern.

Kleine Box - großer Effekt. Schnellladestationen für Batteriezüge können dabei helfen, die Schiene zum ersten emissionsfreien Verkehrsträger in Deutschland werden zu lassen.

Unser Fördermitglied Furrer+Frey hat zusammen mit den Stadtwerken Tübingen ein Schnellladesystem für Batterie-Züge entwickelt. Wir haben die ersten erfolgreichen Tests zum Anlass genommen, mit den Personen hinter der Innovation zu sprechen.

Allianz pro Schiene: Sie haben eine Schnellladestation für Batterie-Züge entwickelt. Erklären Sie uns doch bitte kurz die Idee dahinter.

In vielen Regionen fahren derzeit noch Dieselfahrzeuge auf Strecken ohne Oberleitung. Um zu diesen Strecken zu gelangen, verkehren die eingesetzten Züge oftmals lange Strecken unter einer bestehenden Oberleitung, die sie jedoch nicht nutzen können.  Die Aufgabenträger wollen daher in solchen Fällen Akku-Triebzüge einsetzen, die die bestehende Infrastruktur nutzen und lediglich die Lücken im Oberleitungsnetz durch den Batteriebetrieb schließen. Natürlich müssen die Batterien irgendwo geladen werden. Drei wesentliche Möglichkeiten gibt es jetzt: Eine Oberleitungs-Insel, bei der die Batterien während der Fahrt aufgeladen werden, die Verlängerung einer bestehenden Elektrifizierung oder unser System – eine Schnellladestation für Batterie-Züge.

Was ist das Besondere an Ihrer Entwicklung?

Unser System ist kostengünstiger und langlebiger als andere Ladestationen. Das liegt daran, dass wir die bestehende Technik vereinfacht haben: Wir setzen z.B. keine Frequenzumrichter ein und umgehen damit die Umwandlung der Frequenz der Wechselspannung. Durch eine geschickt gestaltete Verknüpfung zum Mittelspannungsnetz können die Züge auch in den eher schwächeren Stromnetzen der ländlichen Regionen mit 50 Hertz geladen werden.

Sie haben jetzt das erste Mal unter Realbedingungen getestet. Verlief alles so, wie gewünscht?

Sogar besser als erwartet! Die wichtigste Erkenntnis war für uns, dass das Laden in den leistungsschwächeren Netzen keine negativen Auswirkungen auf die Netzstabilität hat und alle Funktionen der Batterieladung vollständig erhalten bleiben. Es gab in allen Testphasen keine Störungen oder Probleme. Das beweist: Unsere Innovation VOLTAP funktioniert und ist einsatzbereit.

 

 

Bei e-Bussen kann schon mit einer sehr kurzen Ladezeit eine große Reichweite abgedeckt werden. Wie schnell können denn die Züge geladen werden und wie weit kommen die Bahnen damit?

Die Reichweite hängt davon ab, wie der jeweilige Zug konfiguriert ist. Bei einer zehnminütigen Ladung können die Züge im Schnitt 200 kWh aufnehmen. Das reicht ungefähr für eine Strecke von bis zu 50 Kilometern. In ländlichen Gegenden sind die nicht elektrifizierten Strecken zwischen 20 und 100 Kilometern lang. Das bedeutet: Mit Unterstützung durch unsere Ladestationen sind diese Streckenabschnitte meist gut zu überbrücken.

Wo steckt mehr Hightech drin? Bus oder Bahn?

Das kommt natürlich immer darauf an, was man unter Hightech versteht. Wir würden sagen, die Kunst bestand darin, das System so zu vereinfachen, dass die Kosten gesenkt und die Leistung erhöht wird. Das ist uns mit VOLTAP definitiv gelungen.

Wo können die Stationen eingesetzt werden?

Es gibt ganz verschiedene Einsatzmöglichkeiten: Bei einigen Anwendungsfällen ist die Schnellladefunktion unserer Station gar nicht notwendig. Wenn die Züge über Nacht in einem nicht elektrifizierten Bereich abgestellt werden, können sie mit niedriger Leistung geladen werden. Der Vorteil dabei ist, dass keine großen Kabel und Stecker benötigt werden und auch kein Personal auf die Gleise muss. Wir bekommen aber auch mittlerweile erste Anfragen aus dem Güterzugbereich.

Wie groß sind die Anpassungen in den Zügen, um die Ladestationen nutzen zu können?

Anpassungen müssen lediglich an der Software der Züge vorgenommen werden. Die Kosten der Umprogrammierung sind mit unter 10.000 Euro pro Zug aber relativ überschaubar.

Woher kommt der Strom für die Schnellladestationen? Reicht ein Anschluss an das örtliche Stromnetz, oder ist mehr Aufwand erforderlich?

Zuhause können Sie ca. 230 Volt aus ihren Steckdosen zapfen, unsere Züge benötigen allerdings 15.000 Volt. Eine Kabeltrommel und ein Anschluss beim Nachbarn reichen da leider nicht aus – schön wär’s. Man braucht einen Anschluss an das Mittelspannungsnetz.

 

Und wenn die Politik doch eine Elektrifizierung der Strecke beschließt – kann die Station dann problemlos an einen anderen Standort verlegt werden?

Diese Frage ist einfach zu beantworten: Die Stationen können problemlos und schnell verlegt werden. Gerade das ist einer der klaren Pluspunkte von VOLTAP.

Wann können wir die Stationen im Regelbetrieb erwarten? Gibt es schon eine Zulassung?

Unser großer Vorteil ist, dass wir mit unseren Stationen minimalinvasiv unterwegs sind. Das heißt: Wir dringen mit unseren verhältnismäßig kleinen Stationen in keine Naturschutzgebiete ein, wie das teilweise bei Oberleitungen der Fall ist. Die benötigten Zulassungs- und Genehmigungsverfahren sind deshalb auch nicht so langwierig und haben weniger bürokratische Hürden. Für Eisenbahnen im Privatbetrieb haben wir bereits zwei Genehmigungsverfahren erfolgreich durchlaufen und sind hier guter Dinge.

Wie groß schätzen Sie den Markt ein? Wie viele Stationen sind geplant?

Zu Beginn unserer Planung haben wir lediglich das Schnellladekonzept im Blick gehabt. Da haben wir in einer Größenordnung von 50 bis 100 Stationen gerechnet. Mit der Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten haben wir unsere Planung erhöht, trotzdem bleibt es aber natürlich eher ein Nischenmarkt. Man sollte jedoch bedenken, dass sich mit jeder unserer Ladestation gegenüber der ursprünglichen Lösung Millionen Euro einsparen lassen.

Außerdem können die Ladestationen selbstverständlich auch im Ausland eingesetzt werden. Abstriche müssen wir lediglich in unserem Nachbarland Schweiz machen: hier sind bereits alle Strecken elektrifiziert.

Letzte Frage: Was ist ihr Wunsch an die Politik?

Uns ist wichtig, dass die Politik und Aufgabenträger realisieren, dass auch kleinere Unternehmen – wie die Stadtwerke Tübingen und Furrer+Frey – innovativ etwas zur Verkehrswende beitragen können. Bei Ausschreibungen der Verkehrsunternehmen wünschen wir uns deshalb einen ganzheitlichen Blick: Oft ist auch mit kostengünstigeren Lösungen das gleiche Ziel zu erreichen. Allerdings werden bislang eher Standardmodelle eingesetzt, die viel kostenintensiver als eine Alternative wie VOLTAP sind. Daher sind wir froh, dass Ihr Verband uns diese Plattform bietet und damit Gehör verschafft – vielen Dank!

Sehr gern. Vielen Dank für Ihre Zeit.

 

Am Interview haben teilgenommen:

Thomas Salega (Furrer+Frey)
Felix Dschung (Furrer+Frey)
Peter Brezinski (Stadtwerke Tübingen)
Sebastian Jäger (Stadtwerke Tübingen)

Das Interview führte Dennis Junghans, Referent Öffentlichkeitsarbeit.