Paketzustellung mit Straßenbahn entlastet Innenstädte

Studie zeigt großes Potential für ganz Deutschland / Höhere Kosten und rechtliche Hürden

Paketzustellung mit Straßenbahn entlastet Innenstädte
Paketzustellung geht auch ohne Lkw: Mit Straßenbahn und Lastenrad können die zunehmenden Paketlieferungen in den Innenstädten umweltfreundlicher werden.

Die Paketzustellung mit Straßenbahn und Lastenrad bietet Deutschlands Städten eine große Chance, die wachsenden Probleme durch den Paketboom zu lindern.

Mit der Kombination dieser beiden umweltfreundlichen Verkehrsmittel lässt sich der Kohlendioxid-Ausstoß durch die innerstädtischen Gütertransporte um über die Hälfte senken, wie eine Studie der Frankfurter University of Applied Sciences zeigt.  Darin haben die Wissenschaftler ein Einsparpotenial von 57 Prozent für die CO2-Emissionen errechnet.

Entsprechend geht auch die Zahl der Lkw-Fahrten in den Wohngebieten zurück, die gerade den Großstädten mehr und mehr zu schaffen machen. Allerdings haben die Forscher am Fallbeispiel Frankfurt am Main auch errechnet, dass die Kosten bei der umweltfreundlichen Variante höher liegen. Den Preis für die geringere Klimabelastung und den Gewinn an Lebensqualität geben sie mit einem Mehraufwand von rund 17 Prozent an. Das liegt vor allem an dem Einsatz von Lastenrädern: Sie sind personalintensiv und bringen damit höhere Lohnkosten mit sich.

Mehr Paketzustellungen in den Städten durch Corona

„Die Corona-Krise heizt den Paketboom in Deutschland noch einmal an. Die Politik muss den umwelt- und menschenfreundlichen Transport per Straßenbahn und Lastenrad fördern, um die Innenstädte zu entlasten und das Klima zu schützen“, sagte Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene.

Das gemeinnützige Verkehrsbündnis hatte Silke Höhl, Wissenschaftlerin an der University of Applied Sciences und eine der Autorinnen der Studie, bereits im vergangenen Jahr für ihre Pionierarbeiten an praktikablen Konzepten für den Pakettransport per Straßenbahn mit einem Innovationspreis ausgezeichnet.

Silke Höhl (Frankfurt University of Applied Sciences) erhielt den Innovationspreis der Allianz pro Schiene für die "Beste Idee". Sie arbeitet an einem innovativen Konzept für Güterverkehr in der Stadt, um das Verkehrschaos zu reduzieren.

Die Forscher zeigen sich überzeugt, dass die Idee mit der entsprechenden politischen Unterstützung bundesweite Anwendung finden kann. „Eine Analyse des Straßenbahnnetzes in Frankfurt hat gezeigt, dass die vorhandene Infrastruktur des ÖPNV für den Warenumschlag an vielen Standorten geeignet ist“, heißt es in der Studie.

Allerdings weisen die Wissenschaftler auch auf den großen politischen Gestaltungsbedarf hin, um eine Umsetzung tatsächlich zu ermöglichen. Beispielsweise sei es aktuell rechtlich nicht möglich, Personen und Güter gemeinsam in einer Straßenbahn zu transportieren. Auch müssten die Kommunen Abstellflächen für Lastenräder sowie für eine Zwischenlagerung der Transportboxen bereitstellen.

262 Prozent Zuwachs an Paketlieferungen bis 2023

Andererseits ist der Handlungsdruck enorm und nimmt immer mehr zu. Gerade in der Corona-Krise boomt der Onlinehandel. Seit langem beklagen die Menschen in den Städten die wachsende Belastung durch die vielen Paketlieferungen per Lkw. Experten sagen in Prognosen voraus, dass die Paket-, Express- und Kurierdienste im Jahr 2023 bundesweit 4,43 Milliarden Sendungen zustellen werden. Das wären 262 Prozent mehr als noch im Jahr 2000.

Auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat bereits die Nachteile des Online- und Paketbooms angesprochen. Er schlug Anfang des Jahres vor, U-Bahnen für die Paketlieferung in Innenstädten einzusetzen. Verkehrsverbände und andere Experten hatten daraufhin erklärt, dass die Straßenbahn für diesen Zweck geeigneter sein dürfte als die U-Bahn mit Stationen unter der Erde.

Der Kostenvorteil des Lkw-Transports dürfte übrigens tatsächlich schon wieder kleiner geworden sein, seit die Wissenschaftler die Studie erstellt haben. Am 28. April 2020 ist die Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) in Kraft getreten, durch die die Bußgelder etwa fürs Parken in der zweiten Reihe deutlich steigen. Dies erhöht die Kosten der konventionellen Paketzustellungen deutlich.