"Zugfahren hat unglaublich viele Vorteile."

Clara von Glasow segelte zur Klimakonferenz. Wir sprachen mit ihr über die Rolle der Schiene im Kampf gegen den Klimawandel.

Mit dem Segelboot zur Klimakonferenz nach Chile. Zur nächsten Klimakonferenz geht es aber mit dem Zug.

Allianz pro Schiene: Vergangenen Winter hast Du zusammen mit anderen Klimaaktivistinnen und –aktivisten an Bord des Segelschiffs Regina Maris den Atlantik überquert. Unter dem Motto „Sail to the COP“ wolltet Ihr zur 25. UN-Klimakonferenz in Chile. Worauf zielte Eure Aktion?

Clara von Glasow: Wir wollten ein Zeichen für nachhaltiges Reisen setzen und dem Thema, insbesondere der Problematik steigender Flugemissionen, auf der 25. UN Klimakonferenz (COP25) zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen. Die Zeit an Bord haben wir genutzt, um in einem Think-Tank an Lösungsansätzen, z.B. Kampagnen und Projekten zu nachhaltigem Reisen, zu arbeiten. Die Reise selbst war dabei vor allem symbolischer Natur. Wir fordern nicht, dass alle Menschen nur noch segelnd reisen sollten.

Der Gipfel wurde dann kurzfristig wegen sozialer Proteste in Santiago de Chile nach Madrid verlegt. Ihr wart da noch auf See, ein klimaneutraler Weg zurück nach Europa war Euch aufgrund von Gegenwind versperrt. Wie habt Ihr die Zeit trotzdem produktiv genutzt?

Wir hörten auf unserer Atlantiküberquerung per Satellitenverbindung von der Verlegung der Konferenz. Als wir dann in Brasilien ankamen, suchten wir in unseren Netzwerken nach Menschen, die sich bereit erklären würden, mit dem Zug nach Madrid zu fahren, um dort unsere Ergebnisse und Forderungen vorzustellen. Wir fanden 24 junge Menschen, die an unserer statt auf die Klimakonferenz fuhren. Wir selbst nahmen virtuell von der Insel Martinique an der COP teil, beispielsweise durch Videos, Livestreams oder als Rechercheteam im Hintergrund.

Soziale Gerechtigkeit ist ein elementare Aspekt von Klimagerechtigkeit.

Auslöser der Unruhen in Santiago de Chile war eine Fahrpreiserhöhung bei der U-Bahn. Das verdeutlicht: Mobilität ist ein Grundbedürfnis, eine Verkehrswende durch Verzicht wohl nur schwer umsetzbar. Wie schaffen wir eine nachhaltige Verkehrsverlagerung?

Durch die Unruhen in Chile wird für mich vor allem deutlich, dass soziale Gerechtigkeit ein elementarer Aspekt von Klimagerechtigkeit ist. Nachhaltige Mobilität muss für alle Gesellschaftsschichten zugänglich sein. Dies betrifft sowohl den Fahrpreis und die Barrierefreiheit der Verkehrsmittel sowie Zuverlässigkeit und Anbindung durch öffentliche Verkehrsmittel. Nur so ist auch eine nachhaltige Verkehrsverlagerung möglich.

Welche Rolle muss die Schiene hier spielen?

Zugfahren hat unglaublich viele Vorteile. Es kann praktisch, komfortabel, schnell und effizient sein. Für eine nachhaltige Verkehrsverlagerung auch für Reisen ins europäische Ausland brauchen wir ein europaweites, aufeinander abgestimmtes, zuverlässiges und preiswertes Schienennetz. Nachtzüge sollten wieder regelmäßiger und mit mehr Verbindungen angeboten werden. Innerhalb von Deutschland muss vor allem die Zuverlässigkeit, Anbindung und Erschwinglichkeit der Züge verbessert werden.

Du hast an mehreren UN-Klimakonferenzen teilgenommen. Wie macht sich denn die Schienenlobby auf dem internationalen Parkett?

Ich finde das schwierig zu beantworten. Wenn Du mit der Schienenlobby Vertreter*innen der Bahnbranche meinst, dann habe ich bisher nicht viel davon mitbekommen auf den Konferenzen. Grundsätzlich stehe ich dem Lobbying in Konzerninteressen kritisch gegenüber. Aber ich fühle mich beispielsweise selbst als Teil einer zivilen Lobbybewegung für das Klima. Wenn wir die Schiene als elementaren Teil hin zur nachhaltigen Verkehrsverlagerung verstehen, bin ich auch Teil der “Schienenlobby”, weil ich mich mitunter für nachhaltige Mobilität einsetze.

Dann bin ich auch Teil der Schienenlobby

Anlässlich der nächsten UN-Klimakonferenz in Glasgow heißt es dann für euch „Rail to the COP“, ihr wollt klimafreundlich mit dem Zug anreisen. Grenzüberschreitendes Bahnreisen wird einem in Europa nicht gerade leichtgemacht. Gab es schon Hilfsangebote aus der Bahnbranche?

Einige Teilnehmende des Projekts „Sail to the COP“ haben dieses Folgeprojekt auf die Beine gestellt und arbeiten aktiv daran. Ihnen wurde Unterstützung vom niederländischen Bahninfrastrukturunternehmen „Pro Rail“ angeboten. Ansonsten sind sie aber zunächst auf sich alleine gestellt in Bezug auf die komplizierten Buchungen bei grenzüberschreitenden Bahnfahrten in Europa. Die Organisator*innen erhoffen sich aber weitere Unterstützung, um unsere Forderung nach einem europaweiten Schienenverkehr in die Politik zu tragen.

Gerade junge Menschen packt ja doch oft das Fernweh. Hast Du Tipps fürs nachhaltige Reisen?

Das kann ich absolut verstehen. Auch mein Fernweh ist noch lange nicht gestillt und auch ich werde weiter reisen. Mein Tipp dazu ist, sich vor jeder Reise zu überlegen, was für Wünsche ich an diese Reise habe (z.B. Erholung, Abenteuer, Distanz vom Alltag, schöne Landschaften) und wie ich diese möglichst nachhaltig erreichen kann. Dabei stell ich mir zuerst die Frage, warum ich reisen möchte und nicht wohin. Eine Zugfahrt beispielsweise lässt den Urlaub bereits vor der Haustür beginnen. Du machst Dir dadurch oft auch viel bewusster, welche Strecken Du zurücklegst und was es auf dem Weg zu entdecken gibt.

 

Das Interview führte Jonas Ölke (Referent Drittmittelprojekte)

 

 

 

 

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