Das Europäische Parlament öffnet mit dem vierten Eisenbahnpaket die nationalen Eisenbahnmärkte seiner Mitgliedsstaaten. Standardisierte Vergabeverfahren sollen es Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) zukünftig erlauben, sich für Schienenverkehrsleistungen in den Nachbarländern bewerben zu können. Das Eisenbahnpaket sieht jedoch auch Ausnahmen vor.
Im Zuge der Vereinheitlichung des europäischen Schienenverkehrs hat das EU-Parlament am 14. Dezember die Marktpfeiler des vierten Eisenbahnpakets verabschiedet. Ab Ende 2019 sollen standardisierte Vergabeverfahren den Wettbewerb bei der Eisenbahn auf europäischer Ebene ankurbeln. Allerdings sind Direktvergaben noch bis 2024 mit einer Vertragslaufzeit von 10 Jahren möglich. Die Ausschreibungen stehen allen Eisenbahnverkehrsunternehmen der EU-Mitgliedsstaaten offen. Der neue Rechtsrahmen ermögliche es den nationalen Behörden zudem, die Leistungen genauer ausschreiben zu können.
Auch Teilleistungen können laut Eisenbahnpaket zukünftig von EU-Wettbewerbern erbracht werden. Ab 2020 sollen alle Eisenbahnunternehmen in der EU das Recht erhalten, kommerzielle Schienenverkehrsdienstleistungen in der gesamten EU anbieten zu können.
Das Eisenbahnpaket sieht auch Ausnahmen vor: Um zu gewährleisten, dass Dienste aus öffentlichen Aufträgen weiterlaufen, könnten die Mitgliedstaaten das Zugangsrecht eines neuen Betreibers auf bestimmten Strecken einschränken, heißt es in der Begründung. Die Voraussetzung für eine solche Einschränkung sei eine „objektiv wirtschaftliche“ Analyse durch die nationale Regulierungsbehörde, die dann ihre Zustimmung geben müsse. Ebenso müssten mögliche Interessenskonflikte bewertet werden, um sicherzustellen, dass alle Eisenbahnverkehrsunternehmen gleichen Zugang zu Gleisen und Bahnhöfen hätten.
Des Weiteren sind im vierten Eisenbahnpaket Vorschriften zur finanziellen Transparenz vorgesehen, um Wettbewerbsverzerrungen zwischen staatlichen Konzernen, bei denen Infrastruktur- und Verkehrsbetrieb unter einem Dach gebündelt sind, und privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen vorzubeugen. Auf behördlicher Ebene soll demnach eine strikte Trennung zwischen nationaler Förderung und internationaler Vergabeverfahren herrschen.
Mit den Reformen im vierten Eisenbahnpaket verspricht sich das EU-Parlament ein verbessertes Angebot für den Kunden, der durch den Wettbewerb stärker in den Mittelpunkt rücke. Es sei davon auszugehen, dass Zugtickets günstiger würden. Auch nationale Behörden sollen von EU-weiten Vergabeverfahren profitieren: Der neue Rechtsrahmen ermögliche es ihnen, bessere Bedingungen und Preise für die zu erbringenden Schienenverkehrsdienste auszuhandeln. Arbeitnehmervertreter kritisierten dagegen, dass die Personalübernahme beim Betreiberwechsel – anders als in Deutschland – in vielen EU-Ländern nicht geregelt sei. Damit wäre auch ein Wettbewerb über geringere Löhne möglich.
Weitere Informationen:
Das 4. Eisenbahnpaket in der Zusammenfassung (Englisch)
Hintergrund: Die Schienenverkehrsmärkte in Europa (Englisch)