Berlin, den 23. September 2015. Die seit Jahren sinkende Lkw-Maut drängt die deutschen Güterbahnen ins Abseits. Mit Hinweis auf aktuelle Marktberichte teilte die Allianz pro Schiene in Berlin mit, dass die Lkw-Maut im Vergleich zu 2010 um fast 16 Prozent gesunken sei, während Güterzüge im gleichen Zeitraum durchschnittlich 13 Prozent höhere Trassengebühren aufbringen müssen. „Im Verlauf von nur fünf Jahren klafft die Preisschere allein bei der Infrastrukturnutzung um 29 Prozentpunkte auseinander“, sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, am Mittwoch im Vorfeld einer Krisensitzung mit Mitgliedern des Bundestags-Verkehrsausschusses. „Während die Regierung sich ein wohlfeiles Schienen-Verlagerungsziel in den Koalitionsvertrag schreibt, steuert eine Lkw-lastige Verkehrspolitik in die entgegengesetzte Richtung“, sagte Flege. „Dass uns Marktanteilsverluste für die Güterbahnen und damit verkehrspolitische Rückschritte ins Haus stehen, sollte man nicht nur auf die Streiks der Lokführer abwälzen. Politisch festgelegten Mautabsenkungen beim Lkw steht eine gesetzlich geregelte Nutzerfinanzierung auf der Schiene gegenüber. Sinkende Mautsätze beim Lkw und steigende Trassengebühren bei der Bahn sind von der Politik gemacht.“
Sinkende Einnahmen für den Staat: Jahr für Jahr bezahlen Lkw weniger Maut. Die Politik will die Verluste mit noch mehr Lkw heilen: „Logik des Wahnsinns“, sagt die Allianz pro Schiene.
Der Geschäftsbericht der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG), deren alleiniger Gesellschafter das Bundesverkehrsministerium ist, weist von 2010 bis 2015 durchweg sinkende Lkw-Maut-Sätze aus. „In 2010 lag der Durchschnittsmautsatz bei 17,42 Cent pro Kilometer, in 2011 bei 16,86 Cent pro Kilometer, in 2012 bei 16,42 Cent pro Kilometer, in 2013 bei 16,12 Cent pro Kilometer und in 2014 bei 15,90 Cent pro Kilometer“, heißt es im Bericht der VIFG. Für das aktuelle Jahr rechnet das Verkehrsministerium noch einmal mit einem Rückgang der Maut um 7,6 Prozent. „Für 2015 wird ein durchschnittlicher Mauterlös von 14,69 Cent pro Kilometer erwartet“, resümiert die VIGF und räumt ein, dass die rückläufigen Mauteinnahmen nur durch eine Steigerung der Fahrleistung kompensiert werden konnten. „Das ist doch eine Logik des Wahnsinns“, kritisierte der Allianz pro Schiene-Geschäftsführer. „Wir brauchen mehr Lkw auf unseren Straßen, um die Maut-Mindererlöse wieder reinzuholen: Das wird Deutschlands Autofahrern zugemutet, damit das Lkw-Gewerbe mit dem Segen der Politik die Güterbahn kaputt konkurrieren darf.“
Flege verwies auf eine aktuelle Studie der Bahnspediteure, die mit weiteren durch die Politik verursachten Kostensteigerungen von insgesamt 20 Prozent für die Güterbahnen bis 2020 rechnet und dies mit künftigen Steigerungen etwa bei Trassenpreisen und Energiekosten begründet. „Die Gegenwart für die Güterbahnen in Deutschland sieht schwarz aus, die Zukunft noch schwärzer“, sagte Flege und erinnerte an das jüngste Vorhaben des Bundesverkehrsministers, überlangen Riesen-Lkw, die zur Zeit in Deutschland zu Testzwecken fahren, ab 2017 die Regelzulassung zu erteilen. „Wenn auch noch der Gigaliner kommt und damit der Lastwagen noch einmal um bis zu 30 Prozent billiger wird, hat die deutsche Politik der Güterbahn endgültig die Luft zum Atmen abgedrückt“, warnte der Allianz pro Schiene-Geschäftsführer.