Wie sympathisch sind die deutschen Bahnen?

"Eisenbahner mit Herz": Gesucht wird die schönste Reisegeschichte

 

Berlin. Zum Auftakt des Wettbewerbs „Eisenbahner mit Herz“, bei dem die Allianz pro Schiene bis Jahresende die schönsten Geschichten von Zugreisenden sammeln wird, haben sich die Bahnchefs von Veolia, Keolis und der Deutschen Bahn dafür ausgesprochen, die Eigeninitiative der Mitarbeiter an Bord der Züge und an den Bahnhöfen zu stärken. „Die Eisenbahnen sind nur so gut wie ihre Mitarbeiter“, sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege am Donnerstag in Berlin. „Deshalb haben wir uns entschlossen, die großen Bahnen an einen Tisch zu holen und gemeinsam herauszufinden: Wie gut sind wir eigentlich?“ Flege rief Bahnkunden dazu auf, Reiseerlebnisse mit besonders humorvollem oder außergewöhnlich hilfsbereitem Bahnpersonal aufzuschreiben und zu kommentieren. „Wir hoffen, dass wir am Ende neben bekannten Negativausreißern und repräsentativen Umfragen auch herzergreifende Positivbeispiele haben. Uns interessiert, was in den Zügen von Dresden bis Aachen, von Hamburg bis Freiburg passiert“, sagte Flege. Eine Jury, der die drei Eisenbahngewerkschaften und die drei großen Fahrgastverbände angehören, werde im März 2011 aus den Einsendungen aller Bahnreisenden den „Eisenbahner mit Herz“ auswählen, kündigte die Allianz pro Schiene an.

Bahnchef Rüdiger Grube: „Ich habe hohen Respekt vor der Leistung der Kundenbetreuer in den Zügen, die unter häufig schwierigen Umständen einen tollen Job machen. Sie prägen maßgeblich das Bild, das die Kunden von der Deutschen Bahn haben. Dabei sind die Anforderungen an diesen Beruf in den vergangenen Jahren eher noch gestiegen. Das Engagement vieler Kundenbetreuer geht weit über das Selbstverständliche hinaus. Ich freue mich, dass die Allianz pro Schiene dies heute würdigt. Uns ermutigen die positiven Erfahrungen von Kunden, die Eigenverantwortung und -initiative der Kolleginnen und Kollegen an Bord der Züge zu stärken“.

Keolis-Chef Hans Leister wies darauf hin, dass das Bordpersonal der Züge immer öfter Übergriffen durch aggressive Fahrgäste ausgesetzt sei. „Unflätige Verbalattacken, Anspucken oder sogar Tätlichkeiten bis hin zur erheblichen Körperverletzung sind leider gar nicht selten“, sagte der Keolis Deutschland-Chef. Jahrelang seien die Züge der eurobahn durch das ruhige Westfalen gefahren, doch seit Keolis quer durch das Ruhrgebiet fahre, am Wochenende auch in der Nacht, „haben wir beim Thema aggressiver Fahrgäste leider viele Erfahrungen machen müssen“.

Anders als es die Schlagzeilen manchmal vermittelten, schnitten die Mitarbeiter bei den Umfragen zur Kundenzufriedenheit überdurchschnittlich gut ab, sagte Leister. „Auch in Beschwerden, die sich auf Probleme wie Zugausfall oder Verspätungen beziehen, wird oft die Betreuung im Zug ausdrücklich gelobt.“

Auch der Geschäftsführer von Veolia Verkehr, Axel Sondermann, bestätigte das überwiegend wohlwollende Urteil der Kunden zum Personal. „Die Veolia-Verkehr-Gruppe hat sich sehr frühzeitig einer differenzierten Servicestrategie verschrieben“, sagte Sondermann. Mit Hilfe von Rollenspielen teste Veolia schon vor der Einstellung, ob künftige Mitarbeiter den Kunden im Blick hätten. „Bei uns reicht es nicht, die Tarife zu kennen. Wir wollen Mitarbeiter, die den Fahrgästen die Wünsche von den Lippen ablesen“, sagte Sondermann am Donnerstag in Berlin.

Die deutschen Eisenbahnen befördern täglich 6,3 Millionen Fahrgäste, 6 Millionen im Nahverkehr und 300.000 im Fernverkehr. Die Deutsche Bahn hat dabei einen Marktanteil von rund 80 Prozent. Die restlichen 20 Prozent nutzen die Züge anderer Bahnunternehmen. Das sind unter anderem Arriva, Benex, die Hessische Landesbahn, Keolis und Veolia. Die Deutsche Bahn beschäftigt rund 12.000 Menschen an Bord der Züge. Nochmal 3.000 Mitarbeiter kümmern sich in den Bahnhöfen um die Reisenden. Im Nah- und Fernverkehr der Deutschen Bahn arbeiten außerdem rund 14.000 Lokführer. Die „Privatbahnen“ beschäftigen rund 6.000 Kundenbetreuer und Lokführer im Fahrdienst. Nach Angaben der Gewerkschaft Transnet hat sich das Personal der DB-Konkurrenten seit 2000 fast verdoppelt, bei der Deutschen Bahn gibt es ebenfalls einen leichten Anstieg der Beschäftigtenzahlen. Trendsetter für diese Entwicklung ist etwa das Land Niedersachen, das die Zahl der begleiteten Züge im Regionalverkehr von zur Zeit 20 auf 40 Prozent erhöhen will.