116,6 Milliarden Tonnenkilometer brachte der Güterzug im Jahr 2015 auf die Schiene. Erz, Kohle, Zement und Getreide, Heizöl, Melasse und Milch werden bevorzugt mit dem Güterzug transportiert – dazu kommen jede Menge Container. Auch der Großteil der Automobiltransporte wird durch die Güterbahnen abgewickelt. Der Schienengüterverkehr wächst und muss auch in Zukunft weiter wachsen, denn die Eisenbahn ist im Vergleich zu LKW, Flugzeug und Binnenschiff das klimaschonendste Verkehrsmittel im Güterverkehr. In den nächsten zehn Jahren soll sich die Transportleistung des Schienengüterverkehrs nahezu verdoppeln, geben Umweltministerium und Umweltbundesamt vor.
Aber schon jetzt gibt es Engpässe im deutschen Schienennetz, rund um die großen Knotenpunkte in Deutschland und auch auf einigen viel befahrenen Strecken. Deshalb muss das Schienennetz ausgebaut und effizienter werden, damit mehr Güter mit der Eisenbahn transportiert werden können. Ein wichtiges Instrument, um die Effizienz des Systems Schiene zu steigern, sind längere Güterzüge. Sie senken die Kosten der Transporte und verbessern die Auslastung des Schienennetzes, sodass eine größere Anzahl an Gütern transportiert werden kann, ohne neue Strecken bauen zu müssen.
Der durchschnittliche Güterzug fährt auf dem deutschen Schienennetz mit 25 bis 30 Güterwaggons. Zukünftig sollen Güterzüge rund 35 Waggons umfassen, das entspricht einer Länge von 740 Metern. Im Container-Transport bedeutet das: Ein 740-Meter-Güterzug ersetzt 52 LKW.
Triebfahrzeuge und Güterwaggons sind schon jetzt für den Einsatz in einem 740-Meter-Güterzug geeignet. Erst bei der Fahrt in einem 1.000 Meter langen Güterzug und mehr sind technische Umrüstungen erforderlich, da sich aufgrund von Länge und Gewicht auch das Fahr- und Bremsverhalten verändert.
Lärmemissionen treten bei einem 740 Meter langen Güterzug in gleicher Weise auf, wie bei kürzeren Güterzügen. Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler der Technischen Universität Harburg. Demnach kann sich der Wegfall von ein bis zwei Triebfahrzeugen beim Einsatz längerer Güterzüge sogar positiv auf die Lärmbilanz auswirken, da die Anzahl der An- und Abschwellphasen des Schienenlärms reduziert werden. Mit anderen Worten: Die Vorbeifahrt eines 740-Meter-Güterzugs wird weniger belastend empfunden, als die Vorbeifahrt mehrerer kürzerer Güterzüge.
Im transeuropäischen Schienengüterverkehr hat sich der 740-Meter-Güterzug längst durchgesetzt. Damit es im Güterverkehr zwischen Deutschland und Europa nicht zu Einschränkungen kommt, ist es notwendig, diesen Standard auch bei uns flächendeckend zu ermöglichen. Sechs Korridore des transeuropäischen Kernnetzes verlaufen durch Deutschland, darunter die wichtigste Nord-Süd-Verbindung zwischen Rotterdam/Antwerpen und Genua, die entlang des Rheins führt und die deutschen Wirtschaftszentren Rhein-Ruhr und Rhein-Main-Neckar anbindet.
Eine große Rolle spielt der 740-Meter-Güterzug in der Abwicklung des Hinterlandverkehrs der größten deutschen Häfen in Hamburg und Bremerhaven. Allein im Hamburger Hafen verkehren an Werktagen rund 200 Güterzüge mit ca. 5.000 Waggons. Vor allem im Transport von Massengütern ist der Güterzug führend. Aber auch ein Großteil der Automobiltransporte wird auf der Schiene abgewickelt. Die Containerschiffe, die die Güter in den Häfen umschlagen, werden dabei immer größer. Im Umkehrschluss wird es erforderlich, eine größere Menge an Gütern in sehr kurzer Zeit abzutransportieren. Der Einsatz von 740 Meter langen Güterzügen schafft höhere Kapazitäten und verringert die Rangier- und Bereitstellungszyklen.
Die Auslastung des Schienennetzes erhöht sich. Dadurch wird die bestehende Infrastruktur besser genutzt und die Verkehrsleistung des Schienengüterverkehrs gesteigert. Außerdem ist die Erhöhung der Zugauslastung kostengünstiger, als der Bau neuer Strecken.
Die Produktivität steigt, die Betriebskosten sinken. Mit den zusätzlichen Waggons können mit derselben Fahrt mehr Güter transportiert werden. Das senkt die Kosten pro Tonnenkilometer und stärkt den Güterzug im Wettbewerb mit dem LKW.
Der Energieverbrauch sinkt. Mit längeren Güterzügen wird das Verkehrsvolumen durch weniger Züge bewältigt, das spart Fahrstrom.
Die Nachfrage im Schienengüterverkehr wird größer. Im Ergebnis können mehr Güter auf der Schiene transportiert werden: Das senkt das Verkehrsaufkommen auf Autobahnen und Bundesstraßen und leistet durch die CO2-Einsparung einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz.
Beim Einsatz von 740 Meter langen Güterzügen ist sich die Bahnbranche einig: Die Vorteile liegen auf der Hand, jetzt sollte der Ausbau des Schienennetzes schnell umgesetzt werden.
Wie die DB Netz AG berichtet, sind die Ergebnisse des Testbetriebs mit längeren Güterzügen überaus positiv. So ist es gelungen, das Verkehrsvolumen um 25 Prozent und die Auslastung der Züge um 22 Prozent zu steigern. Von Beginn der Testfahrten im Dezember 2012 bis zum Februar 2014 sind so insgesamt 200 Güterzugfahrten eingespart worden. Zum Fahrplanwechsel 2015 erfolgte dann die offizielle Freigabe des 835 Meter langen Güterzugs. Aufgrund dieser guten Erfahrungen soll nun in einem anschließenden Forschungsprojekt der Einsatz von 1.500 Meter langen Güterzügen getestet werden.
Neben den Eisenbahnverkehrs- und Infrastrukturunternehmen, spielt die Politik eine wichtige Rolle bei der Einführung von längeren Güterzügen. Denn: Der größte Teil der Investitionen in die Infrastruktur wird in Deutschland aus öffentlichen Mitteln finanziert, so auch beim Schienennetz (Gewährleistungsauftrag des Bundes). Außerdem müssen Eisenbahnverkehrsunternehmen Gebühren für die Streckennutzung zahlen (Trassenpreise), die dann in den Erhalt des Schienennetzes investiert werden.
Der Bau und die Ertüchtigung neuer Trassen werden vom Bund beim Eisenbahninfrastrukturdienstleister, der DB Netz AG, in Auftrag gegeben. Die Dringlichkeit, das Schienennetz fit zu machen für den Einsatz längerer Güterzüge, ist in der Politik nur mit Verzögerung angekommen. Ausbaumaßnahmen für den Einsatz von 740 Meter langen Güterzügen wurden im jüngst verabschiedeten Bundesverkehrswegeplan (BVWP) nicht im „Vordringlichen Bedarf“ eingestuft, sondern lediglich im „Potentiellen Bedarf“. Bis Herbst 2017 befanden sich die Projekte in der Warteschleife. Die Allianz pro Schiene setzt sich dafür ein, dass auch bei uns schnellstmöglich 740 Meter lange Güterzüge verkehren können.
Die Güterbahnen hatten im Jahr 2015 einen Anteil von 17,3 Prozent am gesamten Güterverkehr in Deutschland. Der Schienengüterverkehr liegt damit im Vergleich der Verkehrsträger auf dem zweiten Platz – weit abgeschlagen hinter dem Straßengüterverkehr: 71,7 Prozent, also fast drei Viertel aller Güter werden noch immer mit dem LKW transportiert. Verlader und Spediteure entscheiden sich zumeist für die Straße, weil die Schiene im Vergleich teurer ist. Das liegt an verzerrten Wettbewerbsbedingungen, die den Straßengüterverkehr bevorteilen. Um den Güterzug bei steigenden Kosten konkurrenzfähig zu halten, ist die Bahnbranche bestrebt, den Schienengüterverkehr so effizient wie möglich zu gestalten.