Themen: Güterverkehr

125.000 zusätzliche Riesen-Lkw in Deutschland

Unveröffentlichte Ministeriums-Studie: Gigaliner schwächen Güterbahnen

Berlin. Die von einigen Bundesländern geforderte bundesweite Einführung von 25 Meter langen und bis zu 60 Tonnen schweren Riesen-Lkw, so genannten Gigalinern, würde massiv Transporte von der umweltfreundlichen Schiene auf die Straße verlagern. Dies geht aus der Zusammenfassung einer bislang unveröffentlichten Studie hervor, die das Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegeben hat und der Allianz pro Schiene vorliegt. „Laut Studie wären bei einer flächendeckenden Gigaliner-Zulassung jährlich 125.000 Monstertrucks in Deutschland unterwegs, die Güter transportierten, die vorher auf der Schiene waren“, sagte Allianz pro Schiene-Vorsitzender Norbert Hansen am Donnerstag in Berlin.

Hansen: „Das Argument, Gigaliner würden zur Entlastung der Straßen beitragen, weil man aus drei 40-Tonnen schweren Lkw zwei 60-Tonner machen kann, ist damit widerlegt.“ Hinzu käme darüber hinaus die Verlagerung vom ebenfalls als umweltverträglich geltenden Verkehrsträger Binnenschiff auf Riesen-Lkw. „Dieser Rutschbahneffekt ist in der Studie noch gar nicht berücksichtigt und wird zu zusätzlichem Riesen-Lkw-Verkehr führen“, so der Vorsitzende des Schienenbündnisses.

Aufmerksam macht der Allianz pro Schiene-Vorsitzende auch auf die drohenden mittelfristigen Verschiebungen zwischen den Verkehrsträgern. „Wenn der Lkw-Verkehr durch die bundesweite Einführung von Gigalinern schlagartig um 20 Prozent billiger wird, werden noch mehr Unternehmen zur Lagerhaltung auf der Straße übergehen. Es werden neue, unnötige Lkw-Fahrten in einer Art Staubsaugereffekt auf die Straßen geholt, die sich vorher nicht gerechnet haben.“ Hansens Fazit: „Deutschland wird mit Gigalinern im Stau und in Abgasen ersticken. Diese Fahrzeuge als Ökoliner zu bezeichnen, wie es kürzlich Niedersachsens Verkehrsminister Walter Hirche getan hat, grenzt an Volksverdummung“.

Die Verkehrsminister der Länder und der Bundesverkehrsminister wollen am 9. und 10. Oktober dieses Jahres während der Verkehrsministerkonferenz in Merseburg darüber entscheiden, ob Gigaliner bundesweit zugelassen werden, wie es der Verband der Automobilindustrie (VDA), der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels (BGA) seit Monaten fordern. Die im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums erstellte Studie „Verkehrswirtschaftliche Auswirkungen von innovativen Fahrzeugkonzepten auf den konventionellen Schienengüterverkehr“ wird eine wichtige Entscheidungsgrundlage sein. In der Zusammenfassung heißt es wörtlich, dass mit der bundesweiten Zulassung der Gigaliner „ein sehr großer Marktbereich der Bahn ‚angegriffen‘ wird“. Im Bereich der Transporte für die Automobilindustrie werde es zu „erheblichen Rückverlagerungen (50-60%)“ von der Schiene auf die Straße kommen.

Die Allianz pro Schiene ist das Bündnis in Deutschland zur Förderung des umweltfreundlichen und sicheren Schienenverkehrs. In dem Bündnis haben sich 16 Non-Profit- Verbände zusammengeschlossen: die Umweltverbände BUND, NABU, Deutsche Umwelthilfe und NaturFreunde Deutschlands, die Verbraucherverbände Pro Bahn, DBV und VCD, die Automobilclubs ACE und ACV, die drei Bahngewerkschaften TRANSNET, GDBA und GDL sowie die Eisenbahnverbände BDEF, BF Bahnen, VBB und VDEI. Die Mitgliedsverbände vertreten mehr als 2 Millionen Einzelmitglieder. Unterstützt wird das Schienenbündnis von 77 Unternehmen der Bahnbranche.