Ob verlorenes Gepäck, unerwartete Barrieren oder einfach nur ein tröstendes Wort im richtigen Moment – auch in diesem Jahr waren wieder viele engagierte Bahnmitarbeitende im Einsatz, um Reisen angenehmer, sicherer und manchmal sogar erst möglich zu machen. Bereits zum 15. Mal haben wir mit unserer Auszeichnung „Eisenbahner/in mit Herz“ diese Heldinnen und Helden des Bahnalltags ausgezeichnet.
Aus über 200 Einsendungen wählte eine unabhängige Fachjury tolle Geschichten aus, die beispielhaft für gelebte Hilfsbereitschaft, Belastbarkeit und Kundennähe stehen. Ausgezeichnet wird Personal aus Zügen, von Bahnhöfen und aus dem Service – unabhängig davon, für welches Unternehmen sie arbeiten.
Die feierliche Preisverleihung findet in Berlin statt. Vergeben werden die Auszeichnungen in den Kategorien Gold, Silber und Bronze – sowie an Landessiegerinnen und Landessieger aus zehn Bundesländern.
Seit vier Jahren ist Ekrem Erdem Zugbegleiter bei der Hessischen Landesbahn. Jeder Tag ist anders, und manchmal auch aufregend. Aber was er am 5. Juli 2024 erlebt, lässt ihn nicht mehr los. Der 46-Jährige aus Gießen fühlt sich wie der unfreiwillige Actionheld in einem Krimi. Nur dass die Geschichte einer verängstigten Reisenden und ihres Verfolgers ganz real passiert, und er ist mittendrin. Drei Tage braucht er, um danach wieder runterzukommen. Für die bedrohte Reisende – und für unsere Jury – ist er ein echter Schienenheld!
Herr Erdem, Ihre Geschichte ist nichts für schwache Nerven. Aber fangen wir ganz von vorn an. War das erst mal ein ganz normaler Arbeitstag für Sie?
Ekrem Erdem: Es war schon Mittag, ich hatte die erste Fahrt bereits hinter mir und stand in Gießen am Bahnsteig, um zu meinem nächsten Einsatzort in Frankfurt am Main zu kommen. Dann kam aber alles ganz anders.
Was ist denn am Bahnsteig passiert?
Es war unheimlich voll und dadurch unübersichtlich. Da packte mich eine junge Frau plötzlich an der Schulter und sagte: „Sie müssen mir helfen. Da ist ein junger Mann, der verfolgt mich.“ Die Frau konnte kaum noch atmen. Es war ganz eindeutig, dass sie panische Angst hatte.
Das ist ja schrecklich. War der Verfolger denn auch auf dem vollen Bahnsteig?
Er stand nur wenige Meter entfernt, ich habe ihn nach ihrer Beschreibung sofort erkannt. Etwas stimmte nicht mit seinen Augen. Er wirkte, als hätte er Drogen genommen. Ich habe versucht, die Frau zu beruhigen und gleichzeitig den Mann nicht aus den Augen zu verlieren.
In so einem Moment wünscht man sich wahrscheinlich den Pausenknopf drücken zu können, um erst mal nachzudenken…
Das wäre toll, wenn das ginge. Aber ich musste schnell und besonnen reagieren. Ich wollte um jeden Preis verhindern, dass Panik auf dem vollen Bahnsteig ausbricht. Ich habe die Reisende an meine Seite genommen und bin mit ihr direkt in die 1. Klasse gegangen, um sie besser von ihrem Verfolger abschirmen zu können.
War denn klar, dass der Mann auch in den Zug einsteigen würde?
Ja, das wollte er. Ich habe ihn gebeten, nicht einzusteigen. Aber das hat er verweigert. Und wie schon gesagt, er wirkte nicht zurechnungsfähig. Ich habe also schnell meine Kollegen im Zug eingeweiht und sie gebeten, weibliche Fahrgäste in seiner Nähe ebenfalls in die 1. Klasse zu bringen. Der Mann fing an zu schreien und zu behaupten, die Reisende – inzwischen wusste ich, dass sie Ellie heißt – sei seine Frau. In dem Moment ist Ellie völlig zusammengebrochen und fing an zu weinen. Da fuhr der Zug auch schon los, und ich dachte: Ich muss jetzt versuchen dieses Chaos zu ordnen und alles unternehmen, damit niemandem etwas passiert.
Wie ging es dann weiter?
Ich habe eine ältere Dame mit einem Labrador gebeten, sich zu Ellie zu setzen. Der Hund hat gespürt, was er zu tun hatte und hat ihr sofort den Kopf auf den Schoß gelegt. Ich war die ganze Zeit bei der Reisenden, habe aber auch den Verfolger nicht aus den Augen gelassen. Wir haben Durchsagen gemacht, ob Polizisten oder Sanitäter an Bord sind, aber leider hat sich in dem Durcheinander niemand gemeldet. Also dachte ich: Wir müssen irgendwie durchkommen, bestenfalls bis Frankfurt Hauptbahnhof, weil dort die Bundespolizei übernehmen könnte.
Wie hat sich der Mann im Zug verhalten?
Ich habe ihn in Friedberg nochmals gebeten auszusteigen. Er hat sich wieder geweigert. Und ohne Polizei konnte ich nicht viel ausrichten. Ich habe also die Bundes-
polizei angerufen und darum gebeten, dass sie direkt am Frankfurter Hauptbahnhof auf uns wartet. Dann habe ich mich wieder um Ellie gekümmert, die immer noch ganz außer sich war. Und ganz plötzlich bremst der Zug ab.
Wieso das denn?
Jemand hatte die Notbremse gezogen. Und Ellie rief sofort in Panik: „Das war ER!“ Und auch wenn ich versucht habe sie zu beruhigen – es war tatsächlich ihr Verfolger.
Das ist ja wirklich eine außergewöhnliche Situation.
Im Grunde war es ein richtiger Albtraum: Der Zug stand kurz vor Frankfurt Hauptbahnhof, also dort, wo gefühlt hundert Gleise parallel laufen, und dieser Typ hatte auch noch die Notentriegelung der Türen betätigt, sodass die Türen in beide Richtungen zu den Gleisen offenstanden, auf freier Strecke. Dann fing meine Arbeit erst richtig an. Das war der gefährlichste Augenblick überhaupt.
Wie haben Sie reagiert?
Zum Glück waren ja noch die anderen Kollegen da. Ich habe sie gebeten eine Durchsage zu machen, dass alle auf ihren Sitzen bleiben sollen. Meine Kollegen und einige Fahrgäste haben die Türen verbarrikadiert. Und dann habe ich den Verfolger plötzlich gesehen. Er hatte es in dem Durcheinander doch tatsächlich geschafft, in die 1. Klasse zu gelangen. Er war nur noch drei Meter von mir und Ellie entfernt.
Das wird ja immer schlimmer…
Ich bin direkt auf ihn zugegangen, er war ja zumindest nicht sichtbar bewaffnet. Er hatte nur einen Rucksack auf dem Rücken, von dem ich nicht wusste, was da drin war. Ich habe ihn dazu gebracht, sich hinzusetzen. Auch dagegen hat er sich gewehrt. Und dann kam doch tatsächlich der Labrador, der ja bei Ellie saß, rüber und hat sich wie so ein Schutzschild zwischen mich und den Verfolger gesetzt. Ich dachte mir: Dieser Hund ist für mich heute alles! Und dann ist der Zug endlich in den Frankfurter Hauptbahnhof eingefahren.
Wo hoffentlich direkt die Bundespolizei gewartet hat?
Ja, das hatte mir der Fahrdienstleiter kurz vorher nochmal versichert, und so kam es auch. Kaum hatten wir gehalten, kam die Bundespolizei rein und hat den Mann, der sich natürlich gewehrt hat, abgeführt. Ich war in der Zeit bei Ellie und habe mit ihr gewartet, bis ihr Verfolger außer Sichtweite war. Erst dann sind wir zusammen ausgestiegen, die Dame mit dem Labrador hat uns begleitet, und ich habe sie ganz langsam zu ihrem Anschlusszug gebracht. Ich hatte zwischenzeitlich noch in der Betriebszentrale darum gebeten, dass der Anschlusszug fünf Minuten später abfährt, um ihr etwas Zeit zu geben.
Es ist schier unglaublich, was sie alles gleichzeitig gemanagt haben…
Mir ist das erst hinterher bewusst geworden. Nachdem ich Ellie sicher an das Zugteam des ICE übergeben hatte, damit sie gut nach Dresden weiterreisen konnte, habe ich mich erst mal hingesetzt und das alles sacken lassen. Ich hatte nach dieser Aktion den Rest des Tages frei bekommen. Und dann saß ich da und habe noch einige Tage gebraucht, um wieder komplett runterzukommen. Sowas passiert ja zum Glück nicht regelmäßig – das war tatsächlich der schlimmste Arbeitstag, den ich je hatte.
Nur drei Tage später hat Ellie, also Elide Marous, Sie bei uns als Eisenbahner mit Herz nominiert. Und unsere Jury haben Sie auch sofort überzeugt. Wie fühlen Sie sich mit Ihrem Preis?
Also ich habe ehrlich gesagt nie damit gerechnet, dass es solche Wellen schlagen würde. Aber ich fühle mich positiv, sehr positiv bestätigt in meiner Arbeit.
Eigentlich kann ich es gar nicht in Worte fassen, so viel bedeutet es für mich. Übrigens auch deshalb, weil ich als jemand mit Migrationshintergrund in Zeiten wie diesen, wo sich Anschläge häufen und sehr aufgeregt über Asylpolitik diskutiert wird, zeigen kann, dass auch viele gute Menschen hier leben: Ich stehe immerhin bald auf einer Bühne und bekomme praktisch die höchste Auszeichnung auf der Schiene. Das macht mich wirklich glücklich und stolz.
Vielen Dank für Ihren Einsatz und herzlichen Glückwunsch!
Am Düsseldorfer Hauptbahnhof sind Marcel Czubin, Regina Schreiber und Nick Schulze zusammen mit ihren anderen Service-Kollegen die Gesichter der Deutschen Bahn. Sie helfen Reisenden bei all ihren Fragen und unterstützen sie, wo es nur geht. An manchen Tagen passiert alles gleichzeitig, so wie auch am 24. März 2024. An einem rappelvollen Bahnsteig kommt unsere Einsenderin Ursula Bauer mit ihrem Rollstuhl nicht in den ebenso vollen Regionalzug, dabei hat sie noch eine mehrstündige Fahrt nach Eisenach vor sich. Unsere Silber-Preisträger finden zusammen eine Lösung und sorgen dafür, dass Ursula Bauer am Ende sogar früher in Eisenach ankommt als geplant.
Herr Schulze, Sie sind der Service-Koordinator im Team am Düsseldorfer Hauptbahnhof. Ursula Bauer hatte Ihre Reise schon bei Ihnen angemeldet und Sie wollten ihr dabei helfen, nach Eisenach zu kommen. Nur lief dann alles etwas anders als geplant…
Nick Schulze: Genau, Frau Bauer war zusammen mit ihrer Begleitung auf dem Rückweg in ihre Heimatstadt Eisenach. Eigentlich wollten die beiden von Düsseldorf aus mit dem Regionalzug nach Hamm fahren und dort in den ICE nach Eisenach umsteigen. Meine Kollegin Regina Schreiber war dann mit Frau Bauer am Bahnsteig, und es war praktisch kein Durchkommen.
Regina Schreiber: Zu dem Zeitpunkt gab es viele Baustellen rund um den Hauptbahnhof, daher wussten wir schon, dass die Züge sehr voll sein würden. Als ich mit Frau Bauer am Bahnsteig gewartet habe, kam am gegenüberliegenden Gleis noch ein Zug an, in dem es einen Notarzteinsatz gab. Eine Frau wurde in dem Zug reanimiert, und alle Reisenden mussten aussteigen.
Oh je, da passierte also wieder alles gleichzeitig.
Nick Schulze: Ja, deswegen habe ich dann noch mehr Kolleginnen und Kollegen an den Bahnsteig geschickt, wir waren zum Glück zu fünft an dem Tag – anders wäre es auch gar nicht gegangen. Einige haben die Reisenden beruhigt, die aus dem Zug aussteigen mussten und nun ratlos am Bahnsteig standen. Andere haben versucht, den Rettungseinsatz vor Schaulustigen abzuschirmen, während die Bundespolizei eine Plane aufgehängt hat.
Regina Schreiber: Einige Reisende wollten doch tatsächlich Fotos machen. Das konnten wir verhindern. Also der Rettungseinsatz lief, und wir konnten uns um Frau Bauer und ihre Reise kümmern. Aber als ihr Regionalzug im Düsseldorfer Hauptbahnhof einfuhr, war schnell klar, das wird nichts. Die Fahrgäste standen schon bis zu den Türen.
Nick Schulze: Wir haben über Alternativen für Frau Bauer nachgedacht. Sie war ja die ganze Zeit bei uns und mitten im Trubel. Ich hatte dann die Idee, dass wir sie zum ICE an einem anderen Bahnsteig bringen und darauf setzen, dass sie dort mitfahren kann, auch wenn sie für diesen Zug kein Ticket und keine Reservierung hat.
Zum Telefonieren und Nachfragen im ICE blieb Ihnen wahrscheinlich keine Zeit?
Nick Schulze: Genau, wir mussten uns beeilen, erst mal ans andere Ende des Bahnsteigs zum Aufzug zu kommen und haben darauf vertraut, dass die Kolleginnen und Kollegen im ICE uns unterstützen werden. Und dann haben wir noch Marcel Czubin dazugeholt.
Marcel Czubin: Nick Schulze hat mich über Funk gebeten, an den Bahnsteig zu gehen, von dem aus der ICE wenige Minuten später abfahren sollte. Ich habe den Kollegen am Info-Tresen Bescheid gesagt, bin schnell zum Gleis gelaufen und habe dort den Hublift vorbereitet, damit Frau Bauer gleich in den ICE einsteigen kann. Das sind nämlich schon lange Wege am Düsseldorfer Hauptbahnhof. Deshalb war klar, dass die Zeit knapp ist.
Nick Schulze: Ja, das war eine echte Teamleistung. Ein anderer Kollege hat in der Zwischenzeit schonmal den Aufzug zum ICE-Bahnsteig für Frau Bauer reserviert, weil die Zeit ja gedrängt hat. Und dann kamen wir mit ihr an, und der Hublift stand dank Marcel bereit.
Regina Schreiber: Wir haben mit dem Zugpersonal im ICE gesprochen und die Situation erklärt, also warum wir möchten, dass Frau Bauer ganz unangekündigt bei ihnen mitfährt.
Nick Schulze: Und das ist dann wirklich das Schöne am System Bahn: Dass die Kollegen alle an einem Strang ziehen und sofort gesagt haben, das machen wir, ganz unbürokratisch und auch ohne vorab reservierten Stellplatz für den Rollstuhl. Da waren Frau Bauer und ihre Begleitung natürlich sehr erleichtert…
…und so glücklich, dass die beiden das gesamte Bahnhofsteam in Düsseldorf für den Eisenbahner mit Herz nominiert haben. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Marcel Czubin: Ich glaube, wir waren alle erst mal überrascht, aber haben uns sehr gefreut. Der Preis ist für mich eine Riesen-Ehre. Denn häufig ist es schon so, dass man auch Frust und Ärger der Fahrgäste am Bahnhof abbekommt.
Regina Schreiber: Ja, es tut gut, wenn man positive Rückmeldungen und so eine Anerkennung bekommt. Dadurch, dass Züge oft verspätet sind und viel negativ berichtet wird, landet sonst viel Unmut direkt bei uns.
Nick Schulze: Dass wir Frau Bauer geholfen haben, war für uns selbstverständlich. Aber der Tag war tatsächlich deutlich chaotischer als die meisten anderen Tage in unserem Arbeitsleben. Deshalb freue ich mich auch für uns alle über die Auszeichnung. Der Eisenbahner mit Herz zeigt den Reisenden ja auch, dass trotz aller Probleme, die wir jeden Tag haben, viele Menschen versuchen, das Beste rauszuholen. Wir Service-Mitarbeitende sind ja auch nur Menschen, die sich für andere Menschen, die Reisenden, einsetzen. Und das tun wir gerne und jeden Tag aufs Neue.
Es gibt Gegenstände, die sind viel mehr als nur eine Sache: Sie werden zu Lieblingsstücken, und wir hängen unser ganzes Herz daran. So geht es unserer Einsenderin Waltraud Pfeilschifter mit ihrem Fahrrad. Am 19. Juni 2024 will sie mit ihrem Sohn von Lüneburg nach Frankfurt am Main reisen. Ihr Fahrrad möchte sie eigentlich am Bahnhof abstellen, doch in der Hektik hat sie ihr Fahrradschloss zuhause vergessen. Sie würde ihr Lieblingsrad niemals ungesichert stehen lassen. Also nimmt sie es mit in den ICE – doch das Fahrradabteil ist voll, und die Reise droht frühzeitig zu enden. Zum Glück sind unsere Eisenbahner mit Herz in der Nähe.
Frau Liebert und Herr Heinrich, Sie kannten sich bis zum 19. Juni 2024 gar nicht und haben trotzdem gemeinsam eine tolle Teamleistung vollbracht:
Sie haben dafür gesorgt, dass eine komplizierte Reise mit Fahrrad doch noch glücklich verlaufen ist. Wie kam es dazu?
Ulf Heinrich: Ich saß gerade gemütlich im Bordrestaurant des ICEs. Ich war noch gar nicht im Dienst, sondern auf dem Weg dahin. Mein Platz war ganz am Ende des Speisewagens, direkt am Übergang zum Fahrradabteil. Ich bekam mit, dass dort diskutiert wurde. Das Fahrradabteil war voll, und eine Reisende mit Kind, die ihr Rad mitnehmen wollte, sollte am nächsten Halt des Zuges aussteigen, weil kein Platz mehr im Fahrradabteil war. Ich bekam mit, dass die Frau zwar ein Fahrradticket gekauft, aber leider keinen Platz für ihr Rad reserviert hatte – und das muss man im ICE eigentlich machen. Die Zugchefin diskutierte mit der Reisenden, dass das Fahrrad am nächsten Halt in Celle raus müsse, und ihr Sohn fing an zu weinen.
Ach, das ist ärgerlich. Aber dann kamen Sie ins Spiel…
Ulf Heinrich: Genau. Also streng genommen hatte die Zugchefin ja recht: Ohne Reservierung darf man ein Fahrrad in einem vollen Abteil nicht mitnehmen. Aber ich wollte der Reisenden gerne helfen. Erst mal hat die Mitarbeiterin aus dem Bordbistro dem Sohn der Frau Schokolade gegeben, damit er sich wieder beruhigt. Und bei mir fingen die Gehirnzellen an zu rattern: Bevor ich Lokführer bei DB Fernverkehr wurde, habe ich bei Metronom gearbeitet. Ich wusste also, dass direkt hinter unserem ICE ein Metronom-Regionalzug fährt. Und weil es in diesen Zügen auch ein Fahrradabteil gibt, dachte ich mir, eigentlich könnte dieser Zug doch das Fahrrad bis Hannover mitnehmen.
Was für ein schlauer Gedanke! Aber wie konnten Sie als Fahrgast im ICE den Kollegen im Metronom erreichen und sagen: Da wartet ein Fahrrad, nehmt das bitte mit?
Ulf Heinrich: Ich wusste natürlich nicht, wer gerade Dienst hat auf dem Zug. Aber ich bin noch mit einem Kollegen von damals befreundet, und den habe ich angerufen und gesagt: Pass auf, es geht quasi um Leben und Tod – schau mal bitte, wer gerade Zugbegleiter im Metronom ist und gib mir den Kontakt. Und da sagte mein ehemaliger Kollege: Das ist die Iris Liebert, die kennst du glaub ich noch nicht, aber das ist ne ganz Liebe, und die wird dir helfen.
Das klingt ja zu schön um wahr zu sein. Frau Liebert, was dachten Sie, als der Anruf bei Ihnen ankam?
Iris Liebert: (lacht) Ja, das war eigentlich total unpassend, weil ich voll im Stress war. Ich hatte gerade zwei Deutschlandticket-Betrüger gestellt und die Polizei informiert, dass sie die beiden Männer bitte in Hannover in Empfang nehmen soll. Und dann kamst du, Ulf, und wolltest, dass ich das Fahrrad am Bahnsteig in Celle rette. Und der Zug war quasi schon dabei, in Celle einzufahren. Da passierte wieder alles gleichzeitig.
Oh weia. Aber Sie haben nicht gesagt: Nee, passt gerade nicht, sondern Sie haben die Zähne zusammengebissen und geholfen. Haben Sie das Fahrrad in Celle denn gleich gefunden?
Iris Liebert: Naja, so viele Fahrräder stehen zum Glück nicht ohne Herrchen oder Frauchen in Celle am Bahnsteig. Ich habe meinen Lokführer informiert, bin dann über den halben Bahnsteig gerannt, habe mir das Fahrrad geschnappt, bin ans andere Ende des Zuges in den Fahrradwaggon gesprintet, habe es dort abgestellt – und weiter ging die Fahrt. Ulf hatte mir noch gesagt, dass er mit der Fahrradbesitzerin dann in Hannover auf mich wartet.
Das nenne ich Einsatz! Sagen Sie, wie lange stand denn das Fahrrad eigentlich unbeaufsichtigt am Bahnsteig in Celle?
Ulf Heinrich: Das waren nur 6 oder 7 Minuten. Der Metronom kommt direkt hinter dem ICE am selben Bahnsteig an.
Ok, überschaubares Risiko. Dann war das Fahrrad also sicher im Metronom, und bei Ihrer Ankunft in Hannover hat sich dann bestimmt jemand ordentlich gefreut?
Iris Liebert: Ja, die Frau hat sich gleich sehr herzlich bedankt und uns erzählt, wie wichtig ihr das Fahrrad ist und dass ich mir gar nicht vorstellen könnte, wie viel es ihr bedeutet, weil ihr Mann es ihr geschenkt hat. Bis dahin wussten wir ja nicht, wie wichtig der Frau das Fahrrad ist. Ulf und ich haben einfach geholfen, weil wir gerne helfen.
Ulf Heinrich: Genau, im Grunde haben wir beide nur unseren Job gemacht. Mir war klar, dass die Reisende ihr Rad unmöglich für ein paar Stunden ohne Schloss in Celle stehen lassen kann, das wäre schnell weg gewesen. Auch wenn ich Iris zu dem Zeitpunkt noch nicht kannte, wusste ich, dass sie mitmachen würde, denn wir Eisenbahner sind eine Familie und helfen uns in der Regel immer gegenseitig, egal für wen wir arbeiten.
Nun bekommen Sie den Bronze-Preis und dürfen sich Eisenbahner/in mit Herz nennen. Wie geht’s Ihnen damit?
Iris Liebert: Also ich freu mich da richtig doll drüber. Ich hab das gar nicht erwartet, weil meine Kollegen und ich ja oft Fahrgästen helfen. Umso mehr hat mich das jetzt gefreut.
Ulf Heinrich: So ging es mir auch: Ich war erst mal total überrascht. Aber es bedeutet mir wirklich viel, dass ich jetzt Eisenbahner mit Herz bin.
Gleich mehrere Reisende hatten Thomas Spillker als Eisenbahner mit Herz vorgeschlagen. Nun hat sich der Zugbegleiter der Bayerischen Regiobahn auch bei der Online-Abstimmung der Allianz pro Schiene durchgesetzt: Er gewinnt den diesjährigen Wettbewerb Eisenbahner mit Herz in der Kategorie Publikumsliebling.
Spillker fällt den Fahrgästen im Netz Chiemgau-Inntal immer wieder durch seine herzliche Art und seine Freundlichkeit auf. Einer unserer Einsender würde ihm am liebsten täglich auf seiner Pendelstrecke Richtung München begegnen. So steht der Zugbegleiter auch – im besten Sinne – unter der Beobachtung unseres Einsenders, als er einer älteren Dame hilft, die sich sichtlich unwohl fühlt. Sie hat ihr Handy zuhause vergessen, und mit dem Gerät auch ihren Fahrschein. Als Thomas Spillker auf sie zukommt, um das Ticket zu kontrollieren, platzt es aus der Reisenden heraus: Sie ist auf dem Weg zu ihrem Enkel und hat Sorge, dass sie sich am Bahnhof nicht finden, weil sie noch keinen konkreten Treffpunkt vereinbart haben. Der Zugbegleiter fragt die Reisende ruhig und freundlich, ob sie die Handynummer des Enkels irgendwo bei sich habe. Tatsächlich hat die ältere Dame einen Zettel mit der Nummer in ihrer Tasche. Daraufhin reicht Thomas Spilker der Reisenden sein eigenes Telefon, damit sie mit ihrem Enkel sprechen kann. Der Frau fallen gleich mehrere Steine vom Herzen. Außerdem erklärt der Zugbegleiter der erleichterten Frau noch, wie sie ihr Ticket später nachweisen kann.
All das hat ein anderer Reisender beobachtet und schreibt der Allianz pro Schiene: „Herr Spillker hat der Dame in einem stressigen Moment zur Seite gestanden und ihr Schamgefühl verringert. Ein wahrer Profi, der es verdient, für sein Engagement als Eisenbahner mit Herz bezeichnet zu werden.“ 588 Menschen sahen das bei der Online-Abstimmung in den vergangenen Wochen ganz genauso und stimmten für Spillker ab.
Arverio BW
Baden-Württemberg
Schlagfertigkeit und Entertainment
Ganze zehn Mal wurde Zugbegleiter Mohammed Semmo von unterschiedlichen Fahrgästen nominiert. Sein Humor und seine offene Art verschönern unseren Einsendern jede Reise mit den gelben Arverio-Zügen durch Bayern und Baden-Württemberg. Einer lauten Gruppe von Jugendlichen, die ihn provozieren wollen, kontert Mohammed Semmo nur mit noch besseren Sprüchen. Manch einer hebt seine direkte Art hervor, andere schreiben schlicht: „Der Beste.“ Zweimal wurde auch hervorgehoben, wie tiefenentspannt der Zugbegleiter selbst auf stark ausgelasteten Fahrten die Menge bei Laune hält. Wer so ein Allrounder ist und verschiedenste Menschen mit seiner positiven Art ansteckt, kann nur ein echter Eisenbahner mit Herz sein.
Benjamin Bannert
Bayerische Regiobahn
Der Lokführer-Held und ein rettendes Getränk
Nach einem stressigen Tag will der Kreislauf bei unserer Einsenderin Veronika Herrmann nicht mehr mitspielen. Sie muss sich am Bahnhof Weilheim auf den Boden setzen und bittet mehrere Passanten um Hilfe – doch alle ignorieren sie. In ihrer Not spricht sie Lokführer Benjamin Bannert an und bittet ihn um eine Cola, um ihren Kreislauf wieder anzukurbeln. Der Automat ist leer, doch der BRB-Lokführer gibt nicht auf. Er eilt zum Kiosk und bringt ihr das Getränk. „Er war der Einzige, der mir geholfen hat“, hebt Veronika Herrmann hervor. Dank seiner Hilfe fühlt sie sich schnell besser und kann ihre Reise fortsetzen.
Patrick Ingenschay
DB Fernverkehr
Blitzschnell und geistesgegenwärtig
Als ein Fahrgast im ICE von München nach Berlin kollabiert, handelt Zugbegleiter Patrick Ingenschay blitzschnell. Er bringt den bewusstlosen Mann in der 1. Klasse sofort in die stabile Seitenlage und beginnt mit einer Herzdruckmassage. Währenddessen ruft die Zugchefin einen Rettungswagen und organisiert einen Nothalt. Bald treffen auch zwei im Zug ausgerufene Ärzte und ein Rettungssanitäter ein. Sie wechseln sich mit Ingenschay ab, um die anstrengende Herzmassage weiterzuführen. Der ICE hält in Pfaffenhofen, wo ein Rettungshubschrauber wartet. Vom Speisewagen aus bleibt einigen Reisenden die Szene mit dem Rettungswagen kaum verborgen. Einer dieser Reisenden – unser Einsender Wolfgang Kindler – nominiert Patrick Ingenschay als Eisenbahner mit Herz: „Was für ein Held, dieser Zugbegleiter“, schreibt er uns.
Fritz Gerber
ODEG
Zwischen Hitze und Hoffnung
Unser Einsender Justin Fritsche ist Student in Potsdam und pendelt regelmäßig mit der ODEG. An einem heißen Sommertag wird ihm nach der kühlen Zugfahrt beim Ausstieg am Bahnhof Brandenburg (Havel) schwarz vor Augen – er stürzt. Zugbegleiter Fritz Gerber eilt sofort zur Hilfe, bringt ihn zu einer Sitzbank und beruhigt ihn. Langsam kehren Kraft und Klarheit zurück.
Als Justin Fritsche merkt, dass er sein Handy im Zug verloren hat, leiht ihm Fritz Gerber sein eigenes Telefon, um es anzuklingeln. Eine Finderin meldet sich und er erhält das Telefon alsbald zurück. Fritz Gerber stand ihm in einem Stressmoment zur Seite, wofür Justin Fritsche ihm mehr als dankbar ist.
Michaela Krizsan
Hessische Landesbahn
Gerettete Heimkehr
Nach einer Streckensperrung bei Hanau verpassen unser Einsender Rainer Sakic und seine Partnerin spätabends ihren Anschlusszug nach Erlenbach am Main – den letzten Zug des Tages. Mit viel Gepäck und ohne Aussicht auf eine weitere Verbindung wenden sie sich an die HLB-Zugbegleiterin Michaela Krizsan. Sie zögert nicht lange: Nach Dienstschluss fährt sie die beiden kurzentschlossen mit ihrem Privatauto bis nach Erlenbach – trotz des großen Umwegs für sie. „Sie war völlig selbstlos und unglaublich herzlich“, schreibt Rainer Sakic. Dank Michaela Krizsans Einsatz endet diese strapaziöse Reise auf die bestmögliche Weise.
Rita Rother
DB Regio
Der Lichtblick
Auf dem Weg zur Reha nach Borkum läuft für unseren Einsender alles schief: Drei Zugausfälle, massive Verspätungen – die letzte Fähre ist schon lange weg. Erschöpft und mit zunehmenden Schmerzen sitzt er im letzten Regio-Zug nach Emden, als Zugbegleiterin Rita Rother auf ihn aufmerksam wird. Gemeinsam mit einem Kollegen organisiert sie für ihn ein Hotel, eine Taxifahrt dorthin und zusätzlich am nächsten Morgen noch eine weitere Taxifahrt zum Fährhafen.
Dank ihrer Fürsorge kann er seine Reise so schnell wie möglich fortsetzen. „Für mich ist es selbstverständlich, dass es meinen Fahrgästen gut geht“, sagt sie – ein wahrer Lichtblick für unseren Einsender.
Daniel Schienke
eurobahn
Lieblingslokführer und Erklärbär
Zu Beginn des vergangenen Jahres gab es eine große Welle bundesweiter Lokführer-Streiks bei der DB, die für zahlreiche Ausfälle sorgten. Mitten in diesem Chaos hielt Daniel Schienke die Reisenden bei Laune. Der Eurobahn-Lokführer wurde im vergangenen Frühjahr gleich mehrfach nominiert. Mit viel Geduld widmet er sich den Fragen der Fahrgäste zu den Streiks. Ein Einsender schreibt uns: „Er schaffte es, die Situation auf humorvolle Weise zu erklären.“ Auch abseits des Schienenstillstands fiel seine zugewandte Art positiv auf. „Trotz Fachkräftemangel zeigt er in seinem Beruf viel Freude“, berichtet ein anderer Einsender begeistert. Wer so leicht so eine Fahrgast-Nähe herstellen kann, kann sich nur Eisenbahner mit Herz nennen.
Andreas Frank
vlexx
Mit Poesie ins Herz der Fahrgäste
Unsere Einsenderin Jasmin Schröder möchte nach einem langen Uni-Tag nur noch nach Hause. Da spitzt sie die Ohren. Lokführer Andreas Frank reimt durch die Lautsprecher: „Das macht kein´ Spaß, ach hör doch auf, jetzt haben wir schon über zehn Minuten Verspätung drauf! Ja, liebe Leut, lasst misch net lüsche, da draußen fahr´n halt jede Menge Züsche…“ Die Fahrgäste schmunzeln, der Stress des Arbeitstages fällt ab. Seine Dichtkunst verkündet Andreas Frank auch auf Social Media als selbsternannter Eisenbahnpoet. Wer mit so einer Kreativität den Zug zum Lachen bringt – der hat es verdient, dass man auf den Eisenbahner mit Herz ein Loblied singt.
Thomas Jacob
Die Länderbahn
Das gestiefelte Kätzchen
Unser Einsender Kai Klause und seine fast zweijährige Tochter freuen sich auf einen Ausflug mit der Vogtlandbahn nach Bad Elster. Doch beim Einsteigen strampelt die Kleine so heftig, dass ihr Stiefelchen ausgerechnet ins Gleisbett fällt. Ohne Schuhe müsste der Vater sie durchgehend tragen, die Wanderung wäre also deutlich anstrengender. Zum Glück reagiert Lokführer Thomas Jacob sofort: Er setzt den Zug extra ein paar Meter vor, sodass der Schuh sicher aus dem Gleisbett geborgen werden kann. Schon kann der Ausflug losgehen! Eine kleine Geste mit großer Wirkung. Lokführer Thomas Jacob zeigt, dass er auch ein großes Herz für die kleinsten Fahrgäste hat.
Andreas Schargitz
DB InfraGO
Ein Rucksack auf Reisen – und ein Helfer am Telefon
Stephanie Heydweiller-Stolzenberg verliert ihren Rucksack mit allen wichtigen Unterlagen im ICE von Erfurt nach Berlin. Erst beim Ausstieg in Berlin bemerkt unsere Einsenderin den Verlust. Am nächsten Tag sieht sie dank eines Trackers, dass sich das Gepäckstück wieder auf dem Schienenweg Richtung Erfurt befindet. Sie ruft bei mehreren Anlaufstellen an – ohne Erfolg. Schließlich klingelt ihr Mann bei der 3-S-Zentrale in Erfurt durch. Am Apparat: Andreas Schargitz, Eisenbahner mit Herz. Ohne zu zögern kontaktiert er den ICE, in dem sich der Rucksack befindet und sorgt dafür, dass er am nächsten Bahnhof in Halle hinterlegt wird. Noch am selben Tag kann unsere Einsenderin ihren Rucksack abholen und ist unheimlich erleichtert – dank eines unsichtbaren Heldens am Telefon.