Liebe Frau Menges, schon beim Einstieg ist dem begeisterten Zugreisenden Ferdinand Wanzek bei seiner Fahrt im August Ihre freundliche Art aufgefallen. Haben Sie ein Rezept für den Umgang mit Kunden?
Claudia Menges: Ich mag Menschen.
So einfach ist das?
Claudia Menges: Wenn ich morgens am Bahnsteig stehe, freue ich mich. Und im Zug freue ich mich, mit einem schönen ‚Guten Morgen‘ die Fahrgäste begrüßen zu können. Oder mit einem Lächeln bei der Fahrscheinkontrolle. Freundlich zu sein ist für mich nicht anstrengend. Ich mag den Job im Zug und gehe gerne auf Menschen zu. Das entspricht meinem Naturell.
Wie gehen Sie mit schwierigen Situationen um, etwa wenn die Stimmung im Zug nicht gerade fröhlich ist…?
Claudia Menges: Da helfen die Lebenserfahrung und die Menschenkenntnis, die man über die Zeit erworben hat. Ich bin zwar erst seit vier Jahren dabei. Wichtig ist, ruhig zu bleiben. Ich bin niemand, der auf Konfrontationskurs geht.
Auch bei Ihrer Goldgeschichte geht es um eine heikle Lage und Ihren tollen Umgang damit. Was war im August vergangenes Jahr passiert?
Claudia Menges: Wir bekamen an dem Tag auf meiner letzten Fahrt von Hildesheim nach Wolfsburg kurz vor Braunschweig das Signal Rot. In Braunschweig kam es nach einem Personenunfall zu Sperrungen. Also mussten wir bis nach Lengede-Broistedt zurücksetzen. Dort sollten wir aussteigen. Und ich bekam über die Leitstelle die Info, dass ein Bus als Schienenersatzverkehr uns nach Braunschweig und weiter nach Wolfsburg bringt.
Und da wurde es schon sehr spät…
Claudia Menges: Ja, es war fast Mitternacht. Also habe ich mich erkundigt, wer wohin muss. Ich hatte zwei minderjährige Mädels an Bord, die in Braunschweig nicht mehr mit dem Bus nach Hause kamen. Um die Zeit konnte ich sie nicht allein dort stehen lassen. Da hat der Busfahrer vom Schienenersatzverkehr zugesagt, dass er sie auf dem Rückweg von Wolfsburg aus nach Hause bringen könnte. Zudem aber waren noch Ferdinand und ein ausländischer Mitbürger mit Ziel Wolfsburg im Bus. Als wir dort ankamen, war es schon nach ein Uhr. Und die Bürgersteige waren hochgeklappt. Also habe ich die beiden mit meinem Pkw nach Hause gebracht. Um die Zeit überlasse ich Menschen nicht einfach sich selbst.
Keine Angst?
Claudia Menges (lacht): Junger Mann!
Danke! Aber man kann ja auch an den Falschen geraten…
Claudia Menges: Ich bin fast 59 Jahre alt und in meinem Leben schon ein bisschen in dieser Welt herumgekommen. Bis jetzt durfte ich mich immer auf meine Menschenkenntnis verlassen. Mit einem komischen Gefühl hätte ich es nicht gemacht. Ich hatte aber kein komisches Gefühl.
Wo in der Welt waren Sie denn?
Claudia Menges: Drei Jahre habe ich in der Türkei gelebt und dort meinen Sohn geboren. Mit meinen Kindern habe ich drei Jahre in Südindien gelebt und in einem Projekt mit 2000 Menschen gearbeitet. Ich war schon immer gerne unterwegs, früher auch mit Interrail.
Und wie sind Sie beruflich zur Schiene gekommen?
Claudia Menges: Ich bin froh, dass metronom mir mit 54 Jahren noch einmal die Chance gegeben hat, neu anzufangen. Vorher habe ich als Erzieherin im Behindertenbereich gearbeitet. Das war eine erfüllende Aufgabe. Irgendwann aber war ich damit körperlich und psychisch durch. Und die Frage stellte sich: Was mache ich jetzt? Plötzlich stand metronom vor der Tür – sozusagen. Die Schienenbranche hat Menschen mit Lebenserfahrung wirklich etwas zu bieten.
Und jetzt sind Sie auch noch Eisenbahnerin mit Herz…
Claudia Menges: Das finde ich super. Damit hätte ich nie gerechnet. Leider konnte ich mich nie bei Ferdinand dafür bedanken, dass er mich vorgeschlagen hat. Das würde ich sehr gerne nachholen.
Das können Sie: Wir laden auch die Einsender der Siegergeschichten zur Preisverleihung auf der EimiH-Feier ein. Da treffen Sie Ferdinand noch einmal – virtuell oder je nach Corona-Lage hoffentlich sogar persönlich.
Claudia Menges: Das wäre ja toll. Ich möchte mich wirklich bei ihm bedanken, dass er das nicht vergessen hat.