Über Goldgewinnerin Mareen Harder schreibt die Jury: „In einer absoluten Ausnahmesituation zeigte sie menschliche Größe. Mareen Harder ist eine echte Eisenbahnerin mit Herz.“ Es war der 2. Juni 2018, als Charlotte mit ihrem Freund Alexander nach Eschede anreist, um an dem für sie so wichtigen Gedenkgottesdienst teilzunehmen. Als sie voller Verzweiflung auf ihrer Bahn-App die wachsende Verspätung des ICE sieht, sucht Alexander Hilfe – und findet Mareen Harder. Sie sorgt dafür, dass wenige Minuten später auf Charlottes Bahn-App die unglaubliche Botschaft erscheint: „Nächster Halt Eschede“. Charlotte vermutet einen Fehler oder ein Missverständnis. Doch es stimmt: Mareen Harder hat binnen weniger Minuten einen Sonderhalt des ICE organisiert. Als der Zug in Eschede stoppt, steigen zwei Leute aus: Charlotte und Alex. Gerade noch rechtzeitig erreichen sie die Kirche.
Frau Harder, wie präsent ist das Unglück von Eschede 20 Jahre später bei Ihnen und Ihren Kollegen?
Wir haben häufig im Kollegenkreis über das Unglück gesprochen. Es sind dabei auch viele Kollegen gestoben. Der 3. Juni – das ist ein wichtiger Tag für uns Eisenbahner.
Ihre Geschichte spielt einen Tag vor dem 20. Jahrestag, am 2. Juni 2018. Können Sie sich noch erinnern, wie ein junger Mann in dem ICE Richtung Hamburg auf Sie zukam?
Sehr gut. Das spielte sich kurz vor Hannover ab. Der junge Mann schilderte mir, dass er mit seiner Freundin unterwegs sei und sie bei dem Zugunglück von Eschede ihre Mutter verloren habe. Und wie wichtig es für sie ist, am Gedenkgottesdienst am 2. Juni teilnehmen zu können. Dass es aber zeitlich nicht mehr zu schaffen ist.
Und dann haben Sie nicht lange überlegt und sofort gehandelt.
Als ich von dem Verlust der Mutter hörte, war mir klar: Ich muss helfen. Dementsprechend: Telefon heraus. Einmal telefonieren. Und dann ging es seinen Gang.
Was genau spielte sich in den wenigen Minuten im Hintergrund ab?
Ich habe mit der Verkehrsleitung in Hannover telefoniert. Die Kollegen dort müssen alles regeln. Das OK für den Halt in Eschede kam innerhalb von zwei Minuten.
Es geht dann ja auch um die Sicherheit in einem kleinen Bahnhof…
Genau. Es muss geschaut werden, ob wir komplett an den Bahnsteig passen, ob wir genug Personal im Zug haben, um gegebenenfalls zu sichern. In Eschede haben wir nur eine Tür geöffnet, weil der Bahnsteig zu kurz war und ja auch nur zwei Leute aussteigen wollten. Die Kollegen in der Zentrale müssen zudem Verzögerungen im Fahrplan einkalkulieren.
Die junge Frau, Charlotte, hat beim Ausstieg versucht, sich bei Ihnen zu bedanken. Sie mussten gleich weiterfahren. Haben Sie gemerkt, wie wichtig das für Charlotte war?
Wie erleichtert sie ist, konnte ich sehen. Für mich zählt in dem Moment, dass die Menschen dort hinkommen, wo sie hinmöchten. Das ist das Wichtigste für mich.
„Die Selbstverständlichkeit, mit der sie in diesem Moment handelte, und ihre darauf folgende Bescheidenheit haben mich dazu bewegt, Ihnen an dieser Stelle von dem Vorfall zu berichten. Diese große Geste zeugt von enormer Menschlichkeit und hat in mir eine ewig anhaltende, tiefe Dankbarkeit ausgelöst. Für mich war das alles andere als selbstverständlich.“