Bronze: Anja Hoche

Bronzemedaille für Anja Hoche

Robin allein im Zug

Anja Hoche (36) hat zwar selbst keine Kinder, aber jede Menge Cousins, Cousinen, Patenkinder. Berührungsängste sind ihr also fremd, als sie den aufgelösten Robin im Zug trifft und seine Irrfahrt wieder auf die richtigen Gleise setzt. Wie resolut die blonde Frau mit den strahlend blauen Augen sein kann, zeigt sich, als Robin und seine Eltern beim Interview in Braunschweig auf dem Nachbar-Gleis auftauchen. Die gebürtige Witzenhausenerin pfeift auf zwei Fingern. So laut, dass die Familie sofort Bescheid weiß. Woher diese Fertigkeiten? „Ich bin Führerin einer Rettungshundestaffel.“ Na dann. Robin war tatsächlich immer in besten Händen.

Die Würdigung der Jury

Bronze für ein ausgeprägtes Verantwortungsgefühl

Zugbegleiter, die Kinder aus Zügen werfen, haben schon öfter die ganze Republik in Wallung gebracht. Dass es auch die Gegen-Geschichten gibt, ist weniger bekannt. Was hätte geschehen können, wenn Robin nicht auf Anja Hoche getroffen wäre? Er wäre bis Berlin im falschen Zug sitzengeblieben? Hätte vielleicht noch die Fahrkarte für die unfreiwillige Rundfahrt nachlösen müssen? Wäre als Minderjähriger der Polizei übergeben worden?

Aber Robin hat Glück gehabt: die Zugbegleiterin vom Fernverkehr der Deutschen Bahn hat sich rundum gekümmert. Sonderhalt eines ICE, ein Zug zurück mit Begleitung, eine Nachricht an das Internat, all das hat der Junge auf seiner ersten Fahrt mit der Bahn erlebt. Die Jury ist erfreut: Solch vorbildliche Behandlung macht aus Kindern treue und vertrauensvolle Fahrgäste.

Das Interview

„Das tut richtig gut“

Frau Hoche, Sie bremsen auch für Kinder?
Vor allem für Kinder. Einen ICE-Sonderhalt hätte ich für einen Erwachsenen nicht so ohne weiteres organisiert, nur weil er seinen Ausstieg verpasst hat.

Warum nicht?
Weil andere Fahrgäste dafür ihre Anschlüsse vielleicht nicht erreichen. So etwas ist immer Abwägungssache. Aber diesen kleinen Jungen wollte ich nicht abends so spät allein in Berlin rumlaufen lassen. Von Braunschweig nach Berlin, das ist ja kein Katzensprung.

Als Sie Robin gerade wiedergetroffen haben, was haben Sie da zu ihm gesagt?
Du bist aber groß geworden!

Welche Sonderbehandlung bekommen Ihre Fahrgäste sonst noch?
Eigentlich nehme ich mir vor, jeden Fahrgast gleich zu behandeln. Egal, was er für eine Fahrkarte hat: ob teuer, ob preiswert, ob jung, ob alt, keiner soll bei mir zu kurz kommen. Allerdings, wo Sie gerade fragen: Bei Hundebesitzern im Zug mache ich eine Ausnahme.

Welche?
Ich bin Hundefanatikerin. In meiner Freizeit trainiere ich eine Hunderettungsstaffel. Seit meiner Jugend haben wir immer Hunde gehabt. Wenn ich also im Zug auf einen Hund treffe, der den vorgeschriebenen Maulkorb nicht trägt, dann setze ich mich ganz ruhig dazu und erkläre den Besitzern die Regeln. Aber während ich das tue, streichele ich den Hund. Das machen die meisten meiner Kollegen anders.

Wie sind Sie zur Bahn gekommen?
Ganz einfach: Ich habe im Leben überhaupt nur zwei Bewerbungen geschrieben. Nach der Schule habe ich mich bei VW und bei der Bahn beworben. Die DB war dann schneller.

Welches Erlebnis im Dienst freut Sie am meisten?
Wenn ich mit einem Fahrgast aneinander gerate und auf einmal springen meine Pendler für mich in die Bresche. Das tut richtig gut.

Und der Titel „Eisenbahnerin mit Herz“?
Der tut auch gut. Über Zugbegleiter stehen ja leider immer nur die schlechten Geschichten in der Zeitung. Gerade wenn es um Kinder im Zug geht. Dieser Wettbewerb zeigt, dass das nicht die ganze Wahrheit ist.

Die Nominierung

„Hohes Vertrauen in DB-Mitarbeiter“

„Unser damals 11-jähriger Sohn Robin besucht in Braunschweig das Internat. Nach diversen gemeinsamen Zugfahrten fuhr er am 1. Mai zum ersten Mal allein nach Braunschweig. Doch anstatt einer Mitteilung über eine glückliche Ankunft meldete sich ein aufgeregter und aufgelöster Junge. Robin war der Halt des Zuges in Braunschweig entgangen und ein kurzfristiger Ausstieg nicht mehr möglich. Nach ersten Beruhigungen suchte Robin einen Kundendienstmitarbeiter. Nach kurzer Zeit traf er auf eine Mitarbeiterin, welche dafür sorgte, dass der Zug einen zusätzlichen Halt in Wolfsburg einlegte und Robin mit dem nächsten Zug zurück nach Braunschweig fahren konnte. Die Zugverbindung notierte sie dem Jungen. Zwischenzeitlich hat die Mitarbeiterin fernmündlich den Sachverhalt im Internat mitgeteilt und sich später auch dort nach der Ankunft von Robin erkundigt.

Wir sind der Mitarbeiterin sehr dankbar, haben aber leider nie einen Namen oder eine Telefonnummer erhalten, um uns zu bedanken. Der hier geleistete Service ist einmalig und anerkennenswert. Unser Sohn fährt jedes Wochenende mit dem Zug, seit dem damaligen Erlebnis ist unser Vertrauen in das Unternehmen Deutsche Bahn und seine Mitarbeiter sehr hoch. DANKE.“

Henning Dullnig (Nörten-Hardenberg)