Jane Grabowski (51) ist mit Lokomotiven seit frühester Jugend vertraut. Obwohl sie als Mädchen nie den Wunsch verspürte, einen technischen Beruf zu lernen, hatte doch ihr Bruder die notorische Modelleisenbahn. „Das war genau so eine Modelleisenbahn, wie sie heute auch meine männlichen Kollegen haben.“ Jane Grabowski allerdings hat sich mit den kleinen Modellen nicht begnügt. Sie baut für Siemens Mobility die ganz großen Loks.
Ihr ganzes Berufsleben lang hat Grabowski für Siemens gearbeitet, und von Anfang an war sie an der Entwicklung neuer Lokomotiven beteiligt. Wie das so gekommen ist, weiß sie nicht. „Dafür hatte ich keinen Generalplan. Es hat sich einfach so entwickelt“, erzählt die ausgebildete Fahrzeugelektrikerin, studierte Verkehrstechnikerin und diplomierte Ingenieurin. Dass sie während der Ausbildung und später im Studium immer fast ganz allein unter Männern war, hat Grabowski nie behindert. Im Gegenteil: Jetzt war es ihr Chef Uwe Joos im Vertrieb von Siemens, der seine begabte Mitarbeiterin für den „Innovationspreis Mobilitätsgestalterin“ nominiert hat. Ein Volltreffer, meint die Jury.
Position: System Architect – Engineering
Unternehmen: Siemens Mobility
Jane Grabowski trägt bei Siemens den schönen Titel „System Architektin“. Die Ingenieurin hat eine Innovation ersonnen, die dem Käufer einer Vectron über die Lebensdauer der Lokomotive hinweg einfach mal so fast eine Million Euro einspart. Aber erzählen wir der Reihe nach:
Der Energieverbrauch eines elektrischen Bahnfahrzeuges besteht nicht nur aus der Energie, die für die Traktion anfällt, sondern auch aus Energie, die während des Stillstands verbraucht wird. Dieser Abstellmodus-Verbrauch dient der eigentlichen Transportaufgabe überhaupt nicht und sollte daher so gering wie möglich gehalten werden.
Gerechnet über den gesamten Lebenszyklus einer Lokomotive, der etwa 30 Jahre beträgt, liegt hier großes ökologisches und finanzielles Sparpotenzial, das mittlerweile auch bei Ausschreibungen in den Fokus rückt. Jane Grabowski hatte also ein klares Ziel vor Augen: Sie musste neue Komponenten für den Stillstand-Modus entwickeln und das Betriebskonzept der Lok daran anpassen.
Klassischerweise setzt er die Komponenten im Abstellmodus identisch zum Fahrbetrieb ein. Das heißt: Haupttransformator, Ein- und Ausgangssteller sowie der Zwischenkreis werden genutzt, um die Fahrdrahtspannung auf Bordnetzspannung abzusenken.
Da diese Komponenten für den Fahrbetrieb ausgelegt sind, fallen im Abstellmodus hohe Verluste an. Natürlich vermindert das die Effizienz der Lok empfindlich.
Um eine solche Energieverschwendung zu vermeiden, ergänzte Jane Grabowski den Haupttransformator um eine Wicklung, damit er für den Stand-By-Betrieb passt. Ab sofort ist die Fahrdrahtspannung von 25 kV direkt auf die für Nebenbetriebe notwendige Spannung von 390 V transformierbar. Das Bordnetz kann nun direkt durch die Fahrdrahtleitung gespeist werden.
Diese Neuentwicklung ermöglicht eine Energieeinsparung von bis zu 85 Prozent im Vergleich zur klassischen Speisung des Bordnetzes im Stillstand. Über die gesamte Lebenszeit einer Lokomotive entspricht dies einer Einsparung von rund 800.000 Euro.
Dass der Abstellmodus bei allen Elektrogeräten ein heimlicher und besonders ärgerlicher Energiefresser ist, weiß jeder umweltbewusste Bürger. Für den Heimgebrauch reicht es allerdings oft schon, den Kippschalter an der Steckdose zu betätigen. Umso verdienstvoller der Aufschlag, den Jane Grabowski hier im großen Stil für echte Energiefresser hinlegt. Die Jury sagt es in Reimen: Bye bye, Standby und verleiht der Siemens-Mitarbeiterin Jane Grabowski den Innovationspreis Mobilitätsgestalterin 2018 in der Kategorie „Umweltinnovation“.
Frau Grabowski: Was ist so toll an einer Lokomotive?
Jane Grabowski: Also, wenn Sie selbst eine gebaut haben, dann sieht so ein Fahrzeug nochmal ganz anders aus. Ich jedenfalls bin immer ganz stolz auf meine Produkte. Eine Lok ist etwas, das sich bewegt, was man anfassen kann, Sie können damit fahren. Das ist ein tolles Gefühl.
Postieren Sie sich auch an Bahnübergängen, um Loks zu fotografieren?
So was käme mir nicht im Traum in den Sinn. Aber wenn ich auf Spaziergängen meine erste Lok vorbeifahren sehe, dann freue ich mich.
Welche ist das?
Die BR 152 für die Deutsche Bahn. Die erste vergisst man nie.
Sie bauen seit fast dreißig Jahren Loks. Wie viele Serien gehen auf Ihr Konto?
Etwa sechs. Einen Prototypen für Korea haben wir entwickelt. Für Queensland in Australien hat ein Kohlebahnbetreiber ein neues Modell bestellt. Dafür hatten wir richtig gute Ideen, die der Kunde gar nicht verlangt hatte.
Und die Lok, für die Sie jetzt ausgezeichnet werden, fährt in Finnland.
Die Finnen haben extrem lange Strecken im Güterverkehr. Die Loks stehen da häufig rum und verbrauchen im Stand unnötig viel Energie. Also habe ich mir etwas für den Haupttransformator einfallen lassen, damit er für den Stand-By-Betrieb passt.
Wäre das auch eine Idee für den deutschen Markt?
Das Problem haben alle Güterbahnen, die lange Strecken bedienen. Also, ja, durchaus.
Sind Sie auch persönlich sparsam mit Energie?
Da achte ich sehr darauf. Wenn wir zu Hause ein Zimmer verlassen, schalten wir das Licht aus. Mit Energie sorgsam umzugehen, das ist für mich ein Selbstzweck.
Wussten Sie, dass Ihr Chef Sie für den Innovationspreis Mobilitätsgestalterin nominieren wollte?
Um Erlaubnis hat er mich nicht gefragt. Er hat das einfach mal so gemacht.