Berlin, 24. September 2019. Manchmal braucht es anscheinend ein 16-jähriges Mädchen, damit die Welt aufwacht. Von einer Generation angetrieben, die noch die Schulbank drückt, tut sich auch etwas in Politik und Zivilgesellschaft. Ob Zufall oder nicht: Just am Tag des Klimastreiks setzte sich auch das Klimakabinett zusammen, um Maßnahmen abzustimmen, wie die Pariser Klimaziele doch noch erreicht werden können.
Für die Allianz pro Schiene hieß es demnach am Freitag, auf mehrere Arten Flagge zu zeigen. Um Solidarität mit „Fridays for Future“ zu bekunden, wurden in der Geschäftsstelle schon in den Tagen davor fleißig Transparente gestaltet. Botschaften wie „Verkehrswende jetzt“ oder „Zugstolz statt Flugscham“ richteten sich aber natürlich auch an den Koalitionsausschuss und das Klimakabinett, die wichtige Weichen für die Verkehrspolitik der nächsten Jahre stellten.
Gerade im Vorfeld des Klimagipfels spukte häufig das Schreckgespenst der Gelbwesten im politischen Betrieb herum. Ein höherer Benzinpreis, so der Tenor der Koalitionäre, könnte demnach zu sozialen Protesten wie in Frankreich führen. Das Ergebnis des Klimapakets ist dementsprechend auch eher als Klimapaket light zu bewerten: Neben einigen vielversprechenden Ankündigungen, wie z. B. der Senkung der Mehrwertsteuer für Bahntickets im Fernverkehr, wurde leider kein umfassendes Konzept für eine wirkliche Verkehrswende verabschiedet. So bleibt am Ende das Gefühl, dass eine große Koalition, die im Bundestag über eine Mehrheit von fast 100 Sitzen verfügt, mutiger hätte sein können, wenn es um Umweltpolitik geht.
Dass die Mehrheit der Bevölkerung der Politik schon einen Schritt voraus ist, ergab im Juni auch eine repräsentative Civey-Umfrage im Auftrag der Allianz pro Schiene. Danach spricht sich fast die Hälfte der Deutschen dafür aus, den Ausbau des Schienenverkehrs gegenüber dem des Straßenverkehrs zu priorisieren. Eine Erkenntnis, die auch auf den Straßen der Republik zu spüren war: Direkt vor der Geschäftsstelle der Allianz pro Schiene waren am Freitag bis zu 270.000 Menschen bei „Fridays for Future“ unterwegs und sprachen sich damit für einen wirklichen Wandel in der Umwelt- und Verkehrspolitik aus. Deutschlandweit beteiligten sich sogar 1,4 Millionen Menschen quer durch alle Alters- und Berufsschichten hindurch an den Protesten.
Es bleibt abzuwarten, ob die Bundesregierung diesen Ruf der Straße hört. Im parlamentarischen Prozess haben sowohl Bundestag als auch Bundesrat genügend Möglichkeiten, weitere Maßnahmen für eine wirkungsvolle Umweltpolitik in das Klimapaket hineinzuverhandeln. Dass sich die Bevölkerung mutige Schritte hin auf dem Weg zu einer visionären Umweltpolitik wünscht, ist in diesen Tagen klar geworden. Eine Politik, die es 16-jährigen Mädchen ermöglicht, beruhigt zurück hinter die Schulbank zu gehen.