Trassenpreise - Wie Benutzungsgebühren den Wettbwerb verzerren

Das öffentliche Schienennetz in Deutschland steht allen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) zur Nutzung offen. Für die Streckennutzung zahlen die Eisenbahnverkehrsunternehmen Gebühren an die Infrastrukturbetreiber wie z.B. die DB Netz AG (Eisenbahninfrastrukturunternehmen – EIU). Diese Nutzungsgebühren werden in Form von Trassenpreisen bzw. Stationspreisen und Anlagenpreisen für die Nutzung von Strecken, Stationen und Serviceeinrichtungen erhoben.

1. Was sind Trassenpreise?

Bei Trassenpreisen handelt es sich um eine Art Schienenmaut. Für jeden gefahrenen Kilometer zahlen die Betreiber der Züge (Eisenbahnverkehrsunternehmen) Trassenpreise an die Betreiber der Streckeninfrastruktur (Eisenbahninfrastrukturunternehmen).

2. Wie ist die EU-Rechtslage bei Trassenpreisen?

Das EU-Recht schreibt den Mitgliedstaaten die Erhebung von Trassenpreisen zwingend vor. Dabei muss ausnahmslos das gesamte Streckennetz in die Schienenmaut einbezogen sein. Ebenso muss die Schienenmaut von allen Verkehrsarten gezahlt werden, also von Reisezügen im Nah- und Fernverkehr ebenso wie von Güterzügen oder auch von allein fahrenden Lokomotiven.

In der EU müssen die Trassenpreise mindestens die unmittelbaren Kosten der Zugfahrt abdecken. Darüber hinaus steht es den Mitgliedsstaaten frei, noch weitere Kosten über die Schienenmaut anzulasten, wie Unterhalts- und Investitionskosten der Infrastruktur. Deutschland hat sich dazu entschieden, bei der Höhe der Trassenpreise über das europäisch vorgegebene Mindestmaß hinauszugehen, also weitere Kosten durch eine Nutzerfinanzierung abzudecken.

Vergleich zur Straßenmaut

Anders ist die Lage bei der Maut im Straßenverkehr: Hier müssen die Mitgliedstaaten der EU nicht zwingend eine Maut erheben, sondern können dies selbst entscheiden. Wenn sie eine Maut erheben, müssen sie allerdings bestimmte EU-weit gültige Regeln beachten, wodurch u.a. die maximale Höhe einer Straßenmaut begrenzt ist. Für Deutschland bedeutet dies, dass es nur eine Lkw-Maut gibt, die aber nicht auf dem gesamten Straßennetz fällig ist, sondern nur auf Bundesautobahnen und auf Bundesstraßen. Diese muss auch nicht für alle Fahrzeuge gezahlt werden, sondern nur für Lkw über 7,5 Tonnen Gesamtgewicht.

3. Wie ist die bisherige Praxis der Trassenpreisberechnung in Deutschland?

Zwar sieht das EU-Recht als Regelfall vor, dass die Schienenmaut nur die unmittelbaren Kosten der Zugfahrt abdecken muss. Deutschland hat sich aber dazu entschieden, bei der Höhe der Trassenpreise über das europäisch vorgegebene Mindestmaß hinauszugehen, also weitere Kosten durch die von den Nutzern zu zahlende Schienenmaut abzudecken. Die konkrete Berechnung der Trassenpreise erfolgt durch die Eisenbahninfrastrukturunternehmen, die ihre Trassenpreise von der zuständigen Regulierungsbehörde, der Bundesnetzagentur, genehmigen lassen müssen.

Nur für den Schienengüterverkehr wird seit 2018 vom Prinzip der Vollkostendeckung bei der Schienenmaut abgewichen, indem der Bund den Trassenpreiszahlern im Schienengüterverkehr eine Trassenpreisförderung gewährt. Für die Güterbahnen bedeutet diese Trassenpreisförderung, die zunächst bis 2023 befristet ist, eine annähernde Halbierung der Schienenmaut.

4. Welche abweichenden Regelungen gelten für die Zeit der Corona-Pandemie?

Angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Belastungen, die für die Eisenbahnverkehrsunternehmen durch die Corona-Pandemie entstanden sind, hat die EU den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, die Schienenmaut für die Dauer der Pandemie auszusetzen. Allerdings müssen die Mitgliedstaaten den Infrastrukturbetreibern den entsprechenden Einnahmeausfall aus Haushaltsmitteln ersetzen.

Deutschland hat sich entschlossen von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen und die Verkehrsarten Güterverkehr und Personenfernverkehr fast vollständig von der Schienenmaut zu entlasten. Diese Sonderregelung gilt rückwirkend vom Beginn der Pandemie im März 2020 bis Anfang 2022. Die vom Bundesverkehrsministerium hierfür ausgearbeitete Förderrichtlinie ist Ende Juli 2021 von der EU-Kommission endgültig notifiziert, also genehmigt worden. Für die coronabedingte Trassenpreisförderung wird der Bund insgesamt rund 2,8 Mrd. Euro zur Verfügung stellen.

5. Wie wird die Trassenpreisförderung in Deutschland umgesetzt?

Die Umsetzung, sowohl der 2018 gestarteten Trassenpreisförderung im Schienengüterverkehr, als auch der aktuellen coronabedingten weitergehenden Trassenpreisförderung, erfolgt nach dem gleichen Prinzip: Dabei bleibt die eigentliche Höhe der Trassenpreise unverändert. Die Trassenpreiszahler, also die Nutzer des Schienennetzes, erhalten aber vom Bund einen Zuschuss zu den Trassenkosten. Für die Dauer der Corona-Pandemie sinkt damit für die Verkehrsarten Güterverkehr und Personenfernverkehr im Ergebnis die Kostenbelastung durch die Schienenmaut auf fast Null.

6. Warum muss der Nahverkehr weiterhin die maximalen Trassenpreise zahlen?

Hauptfinanzierungssäulen des Schienenpersonennahverkehrs sind in Deutschland zum einen die Fahrgeldeinnahmen und zum anderen die sogenannten Regionalisierungsmittel, die die Bundesländer für den Nahverkehr vom Bund erhalten. Da infolge der Corona-Pandemie die Fahrgeldeinnahmen im Nahverkehr massiv eingebrochen sind, hat der Bund die Regionalisierungsmittel für die Jahre 2020 und 2021 erheblich aufgestockt und so einen „Rettungsschirm“ für den Nahverkehr aufgespannt. Da der Nahverkehr auf der Schiene durch diesen Rettungsschirm bereits einen Ausgleich der coronabedingten Schäden erhält, gibt es für den Nahverkehr keine zusätzliche Förderung der Trassenpreise während der Pandemie.

7. Was fordert die Allianz pro Schiene?

Die Allianz pro Schiene setzt sich für faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsträgern ein. Solange im Straßenverkehr lediglich Lkw ab 7,5 t und nur auf Bundesfernstraßen Maut zahlen, ist es nicht sinnvoll, bei der Höhe der Schienenmaut über das EU-rechtlich vorgegebene Mindestmaß hinauszugehen.

Für die Zeit nach der Corona-Pandemie plädieren wir daher dafür, den Anteil der Nutzerfinanzierung bei der Eisenbahninfrastruktur zugunsten einer stärkeren öffentlichen Finanzierung zurückzufahren. Die Höhe der Schienenmaut sollte sich – wie von der EU als Regelfall vorgesehen – an den unmittelbaren Kosten der Zugfahrt orientieren. Die gegenüber dem heutigen Trassenpreisniveau entstehenden Einnahmeausfälle müssen den Infrastrukturbetreibern aus Bundesmitteln ersetzt werden.

Für eine Verkehrswende bedarf es darüber hinaus einer ganzheitlichen Politik, die klare Prioritäten zugunsten der klimaschonenden Schiene setzt. Dazu gehört auch, den 2011 eingeführten „geschlossenen Finanzierungskreislauf“ bei der Lkw-Maut zu beenden. Die Wiederermöglichung der Verwendung von Mautmitteln für den Ausbau von Alternativen zum Straßenverehr eröffnet der Verkehrspolitik mehr Handlungsspielräume und trägt zur Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehr bei.