Wissings Verkehrsprognose 2051 im Faktencheck

Faktenbasierte Politik oder politisches Wunschdenken? Wir haben die Verkehrsprognose 2051 analysiert.

Die Verkehrsprognose 2051 im Faktencheck

Mit der Vorstellung der Verkehrsprognose im März kündigte Minister Wissing an, seine Verkehrspolitik an „tatsächlichen Begebenheiten“ auszurichten und „faktenbasierte Politik“ zu betreiben.

Laut den Beratern des Verkehrsministeriums steigt die Verkehrsleistung im Güterbereich bis 2051 um 46 Prozent. Der Prognose nach nimmt die Bedeutung des Lkw-Verkehrs weiter zu. Der Straßengüterverkehr wächst demzufolge um 54 Prozent, der Schienengüterverkehr um 33 Prozent.

Die Bahnverbände haben sich die Annahmen angeschaut, die der Prognose zugrunde liegen. Sie kommen zu dem Ergebnis: Die Prämissen sind politisches Wunschdenken und verkennen Entwicklungen, die bereits heute zu beobachten sind.



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Kritik: Straßengüterverkehr wächst um 54 Prozent

In der Verkehrsprognose 2051 nimmt das Verkehrsministerium an, dass der Straßengüterverkehr um 54 Prozent steigt. Wir zeigen, warum diese Prognose wenig belastbar ist:
 

Verkehrsprognose_Fahrermangel
Schon heute fehlen 70.000 Lkw-Fahrer.
➜ Der Mangel verschärft sich nach Einschätzung der Lkw-Branche.
  
Verkehrsprognose_Lkw-Maut
Verkehrsprognose: Lkw-Maut bleibt bis 2040 konstant.
➜ Unrealistisch. Straßengüterverkehr wird teurer werden und dadurch im Wettbewerb mit der Schiene unattraktiver.
  
Verkehrsprognose_fehlende e-Lkw
Die Prognose setzt auf umfassenden Einsatz batteriebetriebener 40-Tonnen-Lkw – räumt aber selbst ein, dass noch keine geeignete Lösung in Sicht ist (Reichweite, Ladedauer).
  
Verkehrsprognose_Strompreise
Die Annahme sinkender Strompreise und zu niedriger CO₂-Preise führt zu einem unrealistisch starken Wachstum des Lkw-Verkehrs (Prämisse zu Industriestrom fehlt).
➜ Stromkosten für E-Lkw werden künstlich kleingerechnet
  
Verkehrsprognose_CO2-Preise
Viel zu niedrige CO₂-Preise
➜ (aktuell 90 $ / t; für 2040 werden 120 $ / t CO₂ angenommen)
  

Kritik: Schienengüterverkehr wächst um 33 Prozent

Während die Kosten für den Straßengüterverkehr kleingerechnet werden, sind die Prognosen für den Schienengüterverkehr weniger schmeichelhaft.
 

Verkehrsprognose_Fehlende Schieneninfrastruktur
Verkehrsprognose unterstellt Ausbaumoratorium:
➜ Trassenkapazität für den Schienengüterverkehr wird demnach nicht über die bisherigen Planungen des Bundesverkehrswegeplans 2030 hinaus ausgebaut.
  
Bei der Schiene wird nur der vordringliche Bedarf des Bundesverkehrswegeplans berücksichtigt.
Straße: neben vordringlichem Bedarf werden zusätzliche Kapazitätssteigerungen berücksichtigt, u.a. im Bau befindliche Maßnahmen des „weiteren Bedarfs“.
  
Verkehrsprognose_Hochleistungskorridore
In der Prognose fehlen Kapazitätssteigerungen durch die Sanierung der Hochleistungskorridore bis 2030.
  
Verkehrsprognose_Digitale Automatische Kupplung
Die Einführung der Digitalen Automatische Kupplung führt laut Verkehrsprognose nur zu 2 Prozent Kapazitätssteigerung. Die Bahnbranche geht von 15 Prozent aus.
  
Verkehrsprognose_740m-Güterzüge
Prognose beschränkt sich auf 740 Meter lange Güterzüge. Tatsächlich ist für mehr Kapazität ein Ausbau für 1.500 Meter lange Züge sinnvoll.

Was ist die Verkehrsprognose 2051?

 
Die sogenannte „Gleitende Langfrist-Verkehrsprognose“ wurde im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums erstellt. Die Prognose berücksichtigt Schiene, Straße und Wasserwege. Sie will eine Orientierung bieten, ob die Szenarien für die Zukunft mit den Bedarfsplänen des Bundes übereinstimmen – oder ob nach- bzw. umgesteuert werden muss. Erstellt wurde die Verkehrsprognose von Beratungsunternehmen im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums.
 
 

Was sind die Ergebnisse?

 
Die von Wissing vorgestellte Verkehrsprognose geht davon aus, dass die Verkehrsleistung im Güterbereich insgesamt bis 2051 um 46 Prozent steigen wird. Die Berater kommen zu dem Ergebnis, dass vor allem der Straßengüterverkehr in den nächsten Jahrzehnten um 54 Prozent steigt. Demgegenüber steht im Schienengüterverkehr ein Wachstum von 33 Prozent. Die Bedeutung des Lkw-Verkehrs wird laut Verkehrsprognose also weiter zunehmen. Dies macht sich auch im prognostizierten Modal Split bemerkbar: Die Schiene verliert demzufolge zwei Prozentpunkte, der Straßenverkehr gewinnt vier hinzu.

 

Warum ist die Verkehrsprognose wichtig?

 
Verkehrsminister Wissing hat angekündigt, die Verkehrsinfrastrukturplanung des Bundes auf Basis des Prognoseergebnisses zu aktualisieren. Laut Wissing braucht es vor allem einen beschleunigten Ausbau der Straße, um Wohlstand in Deutschland zu sichern. Tatsächlich droht auf Basis straßenlastiger Prognosen eine Fehlsteuerung beim Infrastrukturausbau. So drohen fehlende Kapazitäten auf der Schiene – und der dringend benötigte Schienenausbau verschleppt zu werden.