Themen: Güterverkehr

Interview mit Django Betschart: "Was ist es uns wert, dass die Güter auf der Schiene transportiert werden?“

Die Schweiz als Vorbild: Wie die Verlagerung von Gütern auf die Schiene gelingt. Wir haben mit dem stellvertretenden Geschäftsführer der Alpen-Initiative gesprochen.

„Der alpenquerende Gütertransitverkehr von Grenze zu Grenze erfolgt auf der Schiene.“ Dieser Satz steht seit 1994 in der Schweizer Verfassung. Zuvor hatte der Verein „Alpen-Initiative“ für das Vorhaben geworben. 26 Jahren nach der Volksabstimmung, finden rund 40% des Güterverkehrs in der Schweiz auf der Schiene statt.

Wir haben mit Django Betschart, dem stellvertretendem Geschäftsführer der Alpen-Initiative darüber gesprochen, wie die Entscheidung für den Alpenschutzartikel zustande kam und wie effektive Verlagerung auf die Schiene in der Schweiz gestaltet wird. 

 

Allianz pro Schiene: In der Schweiz wurde der Schutz der Alpen in die Verfassung aufgenommen. Wie kam es dazu und was hat das mit Verkehrspolitik zu tun?

Django Betschart: 1989 hat sich eine Bürgerbewegung gegründet, die Alpeninitiative. Die forderte, Transitstraßen durch die Alpen nicht auszubauen und das Alpengebiet vor den negativen Auswirkungen des Verkehrs zu schützen. Dazu kamen Pläne der Regierung, die Schieneninfrastruktur auszubauen. 1994 stimmten die Bürger dann in einer Volksabstimmung dafür, den Schutz der Alpen vor negativen Auswirkungen des Verkehrs in der Verfassung zu verankern.

Allianz pro Schiene: Was war ausschlaggebend für die Entscheidung zugunsten der Initiative?

Django Betschart: Anfangs war die Stimmung, weder gesellschaftlich noch politisch, auf der Seite der Initiative. Dann aber kam es zu einem Meinungsumschwung. Wahrscheinlich, weil mit dem Mythos der Alpen gespielt wurde. Wir haben es geschafft, mit dem Thema Verkehr Emotionen zu wecken. Wir haben alpine, aber auch städtische Regionen angesprochen.

Allianz pro Schiene: Was folgte, um die Alpen dann tatsächlich vor den negativen Auswirkungen des Verkehrs zu schützen?

Django Betschart: Es gab einige Volksabstimmungen, die wichtigste war aber die über die Einführung der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA). Sie schafft einen Anreiz, Güter auf die Schiene zu verlagern und externe Kosten zu internalisieren.

In der Verfassung steht, dass Güter die Schweiz von Grenze zu Grenze nur auf der Schiene queren dürfen. Null Transitgüter auf der Straße. Die EU sagte dazu: „Gut gemeint, aber so nicht möglich“. Also haben Schweiz und EU verhandelt. Woraufhin die Schweiz im „Verlagerungsgesetz“ maximal 650.000 alpenquerende LKW-Fahrten pro Jahr in der Schweiz festgelegt hat.

Allianz pro Schiene: Welche Instrumente nutzt die Schweiz, um den Verkehr zu verlagern?

Django Betschart: Die Schweiz betätigt viele kleine Stellschrauben, am stärksten durch die LSVA. Wir schaffen damit einen Anreiz, auf die Schiene zu gehen. Gleichzeitig können wir damit in die Schiene investieren. Zwei Drittel der LSVA-Einnahmen gehen direkt in die Schieneninfrastruktur.

"Ohne diese Beiträge hätte die Schiene ein Problem. Daher werden sie weitergezahlt."

Solange die Straße aber durch niedrigere Löhne, schlechtere Arbeitsbedingungen und ungedeckte externe Kosten konkurrenzlos billig ist, kann die Schiene finanziell einfach nicht mithalten. Darum investiert die Schweiz jährlich rund 100 Mio. CHF, um Schienenoperateuren pro Container rund 300 CHF zahlen zu können. Damit wird ein günstigeres Angebot auf der Schiene ermöglicht. Ohne diese Beiträge hätte die Schiene ein Problem. Daher werden sie bis 2030 weitergezahlt. Das ist es der Schweiz wert.

Allianz pro Schiene: Das waren jetzt alles finanzielle Aspekte. Gibt es weitere Instrumente, um die Schiene zu stärken?

Django Betschart: LKW-Kontrollen, um Sicherheitsdumping zu verhindern, sind eine weitere Stellschraube. Dafür gibt es Kontrollzentren. Jeder LKW muss da durchfahren und wird stichprobenartig kontrolliert. Von den kontrollierten LKW wird jeder Zehnte aus dem Verkehr genommen. Aber auch Arbeitsbedingungen müssen fairer werden.

Allianz pro Schiene: Nun, nach 25 Jahren Alpenschutzartikel wie ist eure Bilanz?

Django Betschart: Nach mehr als 30 Jahren Arbeit unserer Initiative sagen wir: Die Schweizer Verlagerungspolitik ist sehr erfolgreich. Wir konzentrieren uns darauf, dass der Alpenschutzartikel noch konsequenter umgesetzt wird. Insgesamt aber nimmt die Schweiz einen tollen Weg.

Die Zahlen der LKW-Fahrten sinken weiter. Angefangen haben wir bei 1.400.000, mittlerweile sind wir bei 890.000 – und das bei steigenden Gütertransporten.  Das heißt: Güterverkehr wurde und wird auf die Schiene verlagert.  Das ist super, insbesondere im Vergleich zu anderen Ländern. Über den Brenner, den größten Pass Österreichs, fahren im Jahr 2.400.000 LKW, bei uns am Gotthard sind es jährlich 600.000.

Allianz pro Schiene: Und was muss aus eurer Perspektive noch getan werden?

Django Betschart: Für uns muss die LSVA ihren Anreiz zur Verlagerung auf die Schiene möglichst hochhalten. Zentral ist dabei, Kostenwahrheit auf der Straße herzustellen. Das heißt, externe Kosten müssen eingepreist werden.

"In der Schweiz entstehen externe Kosten von runde 2.3 Mrd. CHF pro Jahr."

Allianz pro Schiene: Kostenwahrheit schaffen, wie kann das gelingen?

Django Betschart: Um Kostenwahrheit herzustellen, muss erneut mit der EU verhandelt werden. In der Schweiz entstehen externe Kosten von rund 2.3 Mrd. CHF pro Jahr. 1 Mrd. wird durch die LSVA gedeckt. Rund 1.3 Mrd. zahlt die Gesellschaft. Die Schweiz hat noch nie den maximalen Rahmen der LSVA ausgereizt. Um Kostenwahrheit herzustellen, müssen wir nicht nur den maximalen Rahmen ausreizen, sondern diesen gar verdoppeln.

Allianz pro Schiene: Sie haben bereits Österreich erwähnt. Was können wir uns als Nachbarland von der Schweiz abschauen, was würden Sie empfehlen, um ähnliche Erfolge verbuchen zu können?

Django Betschart: Eine gute Infrastruktur allein reicht nicht. Es braucht den politischen Willen, die Schiene zu stärken. Das kann man zwar einfach in eine Regierungserklärung schreiben, aber den Willen muss man auch zeigen.

Eine Regierung sollte flankierende Maßnahmen ergreifen, um Güter auf die Schiene zu verlagern. Man muss sich überlegen: „Was ist es uns wert, dass die Güter auf der Schiene transportiert werden?“. Dementsprechend muss dann Geld investiert und Kostenwahrheit auf der Straße geschaffen werden.

Am Schluss muss man seine Bevölkerung vor negativen Auswirkungen des Verkehrs schützen. Das heißt ja nicht, dass man einfach nur die Wirtschaft beschneidet, sondern saubere Wege findet.

Der Tenor heute ist heute aber viel positiver als noch vor einigen Jahren, die Schiene hat im Moment einen Drive.

Allianz pro Schiene: Danke für Ihre Zeit!

 

Das Interview führte Kilian Stahlhut (Studentischer Praktikant bei der Allianz pro Schiene)