Themen: Infrastruktur

Entwidmung von Bahnflächen

Stellungnahme der Allianz pro Schiene

Eine entwidmete Bahnstrecke.

Seit Ende 2023 gelten strengere Regeln für die Freistellung von Bahngrundstücken nach § 23 AEG. Damit folgte der Gesetzgeber einer Empfehlung der Beschleunigungskommission Schiene, die Freistellung stärker zu begrenzen, um Flächen für eine zukünftige Nutzung im Bahnverkehr zu sichern.

In der Vergangenheit hat sich jedoch gezeigt, dass viele Flächen, die als dauerhaft ungenutzt galten, später doch wieder gebraucht wurden. Dies betrifft nicht nur zahlreiche ehemalige Bahntrassen, wo heute ein erhebliches Nachfragepotenzial durch Reaktivierungen erschlossen werden könnte. Auch Eisenbahnverkehrsunternehmen sind in zunehmendem Maße von fehlenden Abstellkapazitäten im Personen- und Güterverkehr sowie im Baulogistikverkehr betroffen. Dies führt zu erheblichen Umweg- und Zusatzfahrten, die das Schienennetz weiter belasten – im Worst Case sogar dazu, dass Verkehre auf der Schiene gar nicht angeboten werden können. Angesichts steigender Nachfrage im Personen- und Güterverkehr sowie einer stärkeren Verknüpfung mit anderen Verkehrsträgern wird der Bedarf an solchen Flächen in Zukunft weiter wachsen.

Die Neuregelung wurde jedoch auch kritisch bewertet. Von verschiedener Seite wurde bemängelt, dass die praktische Umsetzung zu unflexibel sei und beispielsweise Freistellungen auch dann nicht zugelassen würden, wenn das Ziel, Entwicklungsoptionen für die zukunftsorientierte Erweiterung der Schieneninfrastruktur zu wahren, nicht beeinträchtigt würde. Hierdurch werde die Umsetzung von kommunalen Vorhaben, insbesondere beim Wohnungsbau, deutlich erschwert.

Allianz pro Schiene-Stellungnahme

Wir begrüßen, dass auch weiterhin der Erhalt des Bahnbetriebszwecks von Bahnflächen im überragenden öffentlichen Interesse liegt. Der Gesetzentwurf der Fraktionen von Union und SPD sieht allerdings vor, dass das überragende öffentliche Interesse am Bahnbetriebszweck von Bahnflächen künftig nicht mehr vorliegen soll, wenn für eine Bahnfläche kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht und langfristig eine Nutzung der Infrastruktur im Rahmen der Zweckbestimmung nicht mehr zu erwarten ist.

Wir haben bereits in früheren Stellungnahmen deutlich gemacht, dass es in der Praxis durchaus Fälle gibt, in denen eine Freistellung bestimmter Flächen keine negativen Auswirkungen auf künftige Entwicklungsoptionen für eine zukunftsorientierte Erweiterung der Schieneninfrastruktur hätte, z.B. wenn die Flächen in keinem direkten Zusammenhang mehr mit dem Streckennetz stehen, oder wenn ein Tausch von Flächen mit anderen Grundstückseigentümern für die Netzentwicklung zweckmäßig ist.

Aus unserer Sicht entscheidend ist, dass die vorgesehene Änderung in § 23 Abs. 2 das überragende öffentliche Interesse am Erhalt des Bahnbetriebszwecks von Bahnflächen nicht faktisch aushebelt. In diesem Zusammenhang sehen wir kritisch, dass der Gesetzentwurf lediglich in der Gesetzesbegründung beispielhaft Fälle nennt, in denen grundsätzlich von einer langfristigen Nutzungsperspektive auszugehen ist, die eine Freistellung verhindert. Angesicht der Tatsache, dass es bei der Annahme einer dauerhaft fehlenden Nutzungsperspektive für zeitweise ungenutzte Bahnflächen in der Vergangenheit immer wieder zu völligen Fehleinschätzungen gekommen ist, halten wir hier eine deutliche Präzisierung für nötig. Hierzu sollten die in der Gesetzesbegründung genannten Fälle als nicht abschließend in den den Gesetzestext selbst aufgenommen werden („Eine die Freistellung verhindernde langfristige Nutzungsperspektive liegt unter anderem dann vor, wenn […]“).

Die nicht abschließende Aufzählung („unter anderem“) macht deutlich, dass sich eine Nutzungsperspektive auch aus Projekten ergibt, die auf andere Weise finanziert werden (z.B. über die Förderung für Umschlaganlagen des Kombinierten Verkehrs oder über das SGFFG, etc.), oder die im Rahmen einer langfristigen Entwicklungsstrategie des Bundes für das Schienennetz enthalten sind (z.B. Deutschlandtakt).

Im neuen Absatz 2a wird – sinnvollerweise – eine Freistellung ausgeschlossen, wenn durch die Freistellung die Möglichkeit einer Wiederinbetriebnahme einer Bahnstrecke gefährdet würde. Die Regelung, dass alternativ auch Ersatz durch Neubau oder Änderung von Eisenbahninfrastruktur geschaffen werden kann, sollte dahingehend präzisiert werden, dass der Ersatz zeitnah und mindestens gleichwertig geschaffen wird.

Weiterhin sehen wir kritisch, dass nach der vorgesehenen Änderung in § 23 Abs. 2 das überragende öffentliche Interesse am Bahnbetriebszweck von Bahnflächen künftig völlig unabhängig von den Interessen der Antragsteller zurücktreten soll. In der Problembeschreibung wird zwar auf dringende und berechtigte Interessen wie Wohnungsbau oder Stadtentwicklung verwiesen, die künftig in der Abwägung berücksichtigt werden sollen.

Im Gesetzestext selbst ist aber das Vorliegen dringender Interessen wie Wohnungsbau oder Stadtentwicklung nicht als Voraussetzung für einen Antrag auf Freistellung genannt. Hier sollte unseres Erachtens klargestellt werden, dass eine Antragstellung ohne das Vorliegen dringender Interessen allenfalls für Rand- oder Inselflächen in Betracht kommen kann, wo die zu entwidmenden Flächen objektiv betrachtet keinerlei Verbindung mehr zum Bahnnetz haben.

Schließlich regen wir an, dass die Beteiligten, die vor einer Entscheidung über eine Freistellung von der Planfeststellungsbehörde angehört werden und die dabei eine Stellungnahme abgeben, die Möglichkeit erhalten, eine Freistellungsentscheidung überprüfen zu lassen.