Umweltverbände, Fahrgastorganisationen und Bahnbeschäftigte fordern von der EU bessere Bedingungen für den grenzüberschreitenden Schienenverkehr. „Nur mit effizienten Bahnen lässt sich das Verkehrswachstum in Europa bewältigen“ heißt es in dem heute veröffentlichten 9-Punkte-Papier der Allianz pro Schiene.
Die EU-Osterweiterung werde „eine Katastrophe für Verkehr, Umwelt und Wirtschaft“, wenn die EU nicht schnell ernst mache mit ihrem Ziel, einen einheitlichen europäischen Eisenbahnraum zu schaffen, sagte der Vorsitzende Norbert Hansen.
Reformbedarf sieht das Schienenbündnis auf mehreren Ebenen: Die EU müsse faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den Mitgliedsstaaten und zwischen den Verkehrsträgern Schiene, Straße, Luft schaffen. Zudem seien große technische und finanzielle Anstrengungen erforderlich.
„Immer noch schotten viele Länder ihre Schienennetze ab“, bemängelte Hansen und begrüßte, dass das 1. EU-Eisenbahnpaket, das im März 2003 in nationales Recht umgesetzt werden muss, einen Teil des Netzes öffnet. Die Schienenallianz kritisierte aber, dass Bahnen nach wie vor keine Rückfracht aufnehmen dürfen. „Güterzüge müssen leer zurückfahren. Das ist ökologischer und wirtschaftlicher Unsinn“, so Hansen.
An den Grenzen innerhalb der EU hätten Bahnen mit Hindernissen zu kämpfen, die zum Teil „absurd“ erschienen. Ein Lokführer muss zum Beispiel den nationalen Führerschein für jedes Land besitzen, das er befährt, und er muss die jeweilige Landessprache beherrschen. Die Allianz pro Schiene fordert einen europäischen Lokführerschein und eine EU-weite Schienenverkehrssprache.
Auch das Brandunglück in Nancy habe eine Diskussion über europaweit einheitliche Regelungen im Bahnverkehr in Gang gesetzt. Dazu Norbert Hansen: „Die Bahn ist und bleibt das sicherste Verkehrsmittel, 37 mal sicherer als das Auto. Sollte sich jedoch herausstellen, dass der Brandschutz verbessert werden kann, muss das höchstmögliche Sicherheitsniveau geschaffen werden – und zwar europaweit.“ Das beträfe sowohl die Technik als auch die Ausbildung des Personals.
Dringend erforderlich seien auch gemeinsame technische Standards. Zur Zeit sind fünf verschiedene Stromsysteme, 15 Zugsicherungssysteme und drei Spurweiten europaweit im Einsatz. Diese technische Inkompatibilität sei ein erheblicher Wettbewerbsnachteil gegenüber der Straße. Die Allianz pro Schiene fordert die EU auf, für die Umrüstung auf gemeinsame technische Standards einen Zeitraum festzulegen und Finanzmittel bereit zu stellen.
Hansen: „Je schneller auf den gemeinsamen technischen Standard ETCS umgerüstet wird, desto geringer werden die Kosten sein.“ Denn für den Übergang müssten Fahrzeuge und Strecken doppelt ausgerüstet werden: mit dem neuen und dem jeweiligen nationalen System.
Für fairen Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern Schiene, Straße und Luft konstatiert die Allianz pro Schiene umfassenden Handlungsbedarf in Europa. Dazu Hansen: „Wir fordern Kostenwahrheit für alle Verkehrsmittel, damit der Umwelt- und Sicherheitsvorteil der Bahnen zum Tragen kommt.“ Dazu gehörten eine europaweite LKW-Maut, sowie Instrumente, die die Umwelt- und Gesundheitskosten des Verkehrs den Verursachern anlasten.
Zudem müsse die Steuerbefreiung von Flugbenzin für den internationalen Flugverkehr endlich abgeschafft werden, „notfalls im europäischen Alleingang“.
Die Allianz pro Schiene ist ein Zusammenschluss von 16 Non-Profit-Organisationen und 29 Wirtschaftsunternehmen. Zu den Mitgliedern gehören die Umweltverbände NABU und BUND, die Fahrgastorganisation ProBahn, der Verkehrsclub VCD, sowie alle wichtigen Gewerkschaften und Berufsvereinigungen aus dem Bahnbereich. Insgesamt vertreten die Verbände rund 1,5 Millionen Einzelmitglieder.