Fahrrad und Bahn auf dem Vormarsch

Studie zur Mobilität in Deutschland: Kaum Wachstum auf der Straße

Berlin/Bonn. Deutschland verabschiedet sich vom Klischee, das Vorzeigeland der Autofahrer zu sein. Die großangelegte Studie „Mobilität in Deutschland“ belegt für die Jahre 2002 bis 2008 eine bemerkenswerte Trendwende im Verkehrsverhalten der Deutschen hin zu umweltfreundlichen Verkehrsträgern: Gemessen an der Zahl der Wege stiegen die Deutschen vor allem auf das Fahrrad (plus 17 Prozent) oder auf Bahn und Bus (plus 14 Prozent) um. Auch als Fußgänger waren die Deutschen mehr unterwegs: Zwischen 2002 und 2008 wuchs die Zahl der zu Fuß zurückgelegten Wege um 6 Prozent. Während die Verkehrsträger des Umweltverbundes (Fahrrad, Öffentlicher Verkehr und Fuß) deutliche Zuwächse verbuchen, stagniert die Zahl der Wege beim Autoverkehr. Betrachtet man nicht den Fahrer, sondern nur die Mitfahrer, dann sanken die mit dem Pkw zurückgelegten Wege sogar um fünf Prozent, haben die Forscher von Infas und DLR im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums ermittelt.

Bei der Vorstellung der Studie am Mittwoch in Bonn versicherte Wolfgang Hahn vom Bundesverkehrsministerium, dass diese Daten für die kommende Investitionsplanung berücksichtigt würden. Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, begrüßt diese klare Weichenstellung. „Beim Pkw-Verkehr ist in Zukunft kein großes Wachstum mehr zu erwarten“, sagte Flege und verwies auf ein weiteres Ergebnis der 2008er Studie, wonach der Anteil der Personen, die niemals Bus oder Bahn fahren von 45 Prozent in 2002 auf 42 Prozent in 2008 gesunken sei. „Die Hardcore-Autofahrer sterben langsam aus“, sagte Flege. „Die jüngere Generation ist multimobil und viel flexibler in der Wahl des Verkehrsträgers.“

Die größten Sympathiezuwächse gegenüber 2002 bekommt der Öffentliche Verkehr bei Menschen bis einschließlich 44 Jahre. Lediglich die eigentliche Autoboomer-Generation bevorzugt der Studie zufolge deutlich das Auto. Erst ab einem Alter von 75 und aufwärts steige die Nachfrage nach ÖPV-Angeboten wieder. Ganz anders das Verhalten der Jüngeren: Bei den 18- bis 24-jährigen ist die Zahl der täglichen Autonutzer seit 2002 um 12 Prozent gesunken. Dieselbe Altersgruppe benutzt dafür zunehmend den Öffentlichen Verkehr (plus fünf Prozent). Bei keiner anderen Altersgruppe seien die Ausschläge so deutlich zu sehen gewesen, betonte Robert Follmer von Infas: „Der Fetisch Auto steht bei den Jüngeren nicht mehr im Vordergrund.“

Dem Öffentlichen Verkehr insgesamt bescheinigten die Forscher ein enormes Wachstumspotenzial: 20 Prozent der Gesamtbevölkerung stünden Bus und Bahn als Neukunden aufgeschlossen gegenüber. Für die Allianz pro Schiene beweist der Trend zu Verkehrsträgern des Umweltverbundes, dass die Mobilitätsbedürfnisse der Bürger von der bisherigen straßenfixierten Verkehrspolitik nicht befriedigt werden. „Eine breite Debatte um einen Masterplan Personenverkehr wird uns nach der Bundestagswahl helfen, den realen Investitionsbedarf für alle Verkehrsträger zu ermitteln“, sagte Flege.

Erste Zwischenberichte zur bislang noch unveröffentlichten Studie „Mobilität in Deutschland 2008/2009″ finden sich auf http://www.mobilitaet-in-deutschland.de/

Die Allianz pro Schiene ist das Bündnis in Deutschland zur Förderung des umweltfreundlichen und sicheren Schienenverkehrs. In dem Bündnis haben sich 16 Non-Profit- Verbände zusammengeschlossen: die Umweltverbände BUND, NABU, Deutsche Umwelthilfe und NaturFreunde Deutschlands, die Verbraucherverbände Pro Bahn, DBV und VCD, die Automobilclubs ACE und ACV, die drei Bahngewerkschaften TRANSNET, GDBA und GDL sowie die Eisenbahnverbände BDEF, BF Bahnen, VBB und VDEI. Die Mitgliedsverbände vertreten mehr als 2 Millionen Einzelmitglieder. Unterstützt wird das Schienenbündnis von 92 Unternehmen der Bahnbranche.