Analysiert: Der Masterplan Schienenverkehr

Politik, Branche und Verbände unterzeichnen den Masterplan Schienenverkehr - Wir haben das Dokument analysiert.

Auf dem Schienengipfel wurde Ende Juni 2020 der Masterplan Schienenverkehr vorgestellt. Zu den anwesenden Erstunterzeichnern gehörte auch Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene.

Den Masterplan Schienenverkehr hat das Bundesverkehrsministerium gemeinsam mit den Verbänden in sechs Arbeitsgruppen entwickelt. Die Allianz pro Schiene war dabei eng im Prozess eingebunden und in allen sechs Arbeitsgruppen vertreten. Ein Organigramm des „Zukunftbündnis Schiene“ finden Sie hier.

Der Masterplan Schienenverkehr markiert einen bedeutenden Meilenstein bei der Weiterentwicklung der Eisenbahn in Deutschland. Wir haben das 81 Seiten schwere Papier analysiert, beleuchten die Highlights und weisen auf die Leerstellen des Dokuments hin.

Die Unterzeichnung des Schienenpakts im Video:

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Die Top 10 Weichenstellungen im Masterplan Schienenverkehr

 

1. Zielsetzung Personenverkehr

Trotz Corona wird das ambitionierte Ziel der Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2030 bekräftigt.

2. Zielsetzung Güterverkehr

Erstmals legt sich das Bundesverkehrsministerium auf ein Marktanteilsziel von „mindestens 25 Prozent bis 2030“ fest (zurzeit 19 Prozent).

3. Investitionssteigerung Schieneninfrastruktur

Die Bundesmittel für Neu- und Ausbauvorhaben des Bundesverkehrswegeplans werden „auf mindestens 3 Mrd. Euro pro Jahr mittelfristig, auf 4 Mrd. Euro pro Jahr bis Ende des Jahrzehnts“ hochgefahren (zurzeit 1,5 Mrd. Euro pro Jahr).

4. Senkung der Steuern und Abgaben auf Energie

Bei der „Dreifachbelastung“ aus Stromsteuer, EEG-Umlage und Umlagen aus dem Emissionshandel soll der Schienenverkehr „durch Reduzierung“ entlastet werden.

5. Entlastung beim Vollkostenansatz bei der Nutzung der Schieneninfrastruktur

EU-rechtlich sind für die Nutzung der Schienenwege Trassenpreise („Schienenmaut“) vorgeschrieben, die mindestens die unmittelbaren Kosten des Zugbetriebs (Grenzkosten) abdecken müssen. In Deutschland werden zusätzlich Aufschläge zur Vollkostendeckung erhoben. Nun hat der Bund erkannt: „Die Erhebung von Aufschlägen für den Personenfern- und den Güterverkehr auf der Basis der Markttragfähigkeit ist ökonomisch komplex und schwächt die Schiene im intermodalen Wettbewerb.“ Der Masterplan Schienenverkehr sieht deshalb vor, dass die Branche „durch weitergehende Förderung der Trassen-, Stations- und Anlagenpreise“ entlastet wird.

6. Digitalisierung der Leit- und Sicherungstechnik

Ab sofort sollen „alle Investitionen in die Leit- und Sicherungstechnik des Eisenbahnnetzes“ Teil „einer mehr als eine Dekade umfassenden Digitalisierung des Eisenbahnnetzes mit einem Flächenrollout von DSTW und ETCS“ sein.

7. Neue Finanzierungsinstrumente

Für die Umsetzung verstärkter Investitionen in die Schieneninfrastruktur „wird die Einrichtung einer längerfristigen und gesetzlich verbindlichen Finanzierungsgrundlage in Form eines Fonds empfohlen“.

8. Deutschlandtakt als Masterplan für die Entwicklung der Infrastruktur

Die Infrastrukturplanung soll grundlegend neu ausgerichtet werden. Künftig zählt der Netzgedanke und nicht die Einzelstreckenbetrachtung. Im Deutschlandtakt wird zuerst flächendeckend das verbesserte Angebot für den Personen- und Güterverkehr auf der Schiene definiert und dann werden daraus Infrastrukturmaßnahmen abgeleitet. Die Umsetzung des Deutschlandtakts „über mehrere Jahresfahrplanperioden“ soll „mit dem Jahresfahrplan 2022“ starten. Zur schrittweisen Umsetzung wollen Bund, Länder und der Schienenverkehrssektor gemeinsam unter Federführung des Bundes ein Etappierungskonzept.

9. Schienenverkehr zum Anfassen

Um den Schienenverkehr (noch) stärker in der Mitte der Gesellschaft zu verankern, veranstalten Bund und Sektor ab 2021 jährlich einen „Tag der Eisenbahn“. Mit einer Fülle von Vor-Ort-Veranstaltungen wird die vielfältige Welt der Eisenbahnen jenseits des „Schienengipfels“ für die Menschen konkret erlebbar.

10. Verbindlichkeit durch gemeinsame Umsetzungsgremien

Der Masterplan Schienenverkehr verschwindet nach der Verabschiedung nicht in der Schublade, sondern soll leben. Zur „kontinuierlichen Evaluation der Maßnahmen und des Umsetzungsprozesses sowie der Erarbeitung von Vorschlägen für die Weiterentwicklung des Masterplans“ wird der Lenkungskreis des Zukunftsbündnisses Schiene weiterarbeiten und dabei von einer noch zu gründenden „Gruppe Strategische Umsetzung“ unterstützt.

 


Die 3 größten Leerstellen im Masterplan Schienenverkehr

 

1. Kein Startschuss für die Verkehrswende

Der Diskussionsprozess war von vornherein so angelegt, dass der Schienensektor sich aus sich selbst heraus verbessern sollte – gerne auch mit Hilfe der Politik. Diese Verbesserungen sollten aber nicht zu Lasten anderer (Verkehrsträger) gehen.

Damit reiht sich der Masterplan Schienenverkehr ein in die seit Jahren vom Bundesverkehrsministerium verfolgte Grundlinie, Innovationen mit Steuergeld anzureizen und Verkehr zu fördern. Die Allianz pro Schiene ist diesen Weg beim Masterplan Schienenverkehr mitgegangen, weil der Schienenverkehr nicht allein teurer werden darf, wenn die konkurrierenden Verkehrsträger immer billiger werden.

Weil andere Verkehrsträger beim Masterplan Schienenverkehr weitestgehend ausgeblendet wurden, ist der Masterplan Schienenverkehr kein Startschuss für eine umfassende Verkehrswende. Notwendig gewesen wäre ein Masterplanprozess, der die Bahnen zum Mittelpunkt der Verkehrspolitik macht.

2. Keine Verzahnung mit der Nationalen Plattform Mobilität

Die Allianz pro Schiene ist sowohl in der vom Kabinett am Anfang der Legislaturperiode eingesetzten Regierungskommission Verkehr („Arbeitsgruppe Klimaschutz und Verkehr“ der Nationalen Plattform Mobilität) als auch in allen Gremien des „Zukunftsbündnisses Schiene“ vertreten, welches den „Masterplan Schienenverkehr“ erarbeitet hat. Daher können wir die inhaltliche Abstimmung und Verzahnung beider Prozesse durch die Bundesregierung gut beurteilen. Ergebnis: Praktisch gleich null.

3. Keine Debatte über Struktur oder Ziele der Deutschen Bahn AG

Die Deutsche Bahn bewirtschaftet als bundeseigenes Unternehmen 90 Prozent der Schieneninfrastruktur in Deutschland, betreibt fast die Hälfte des Schienengüterverkehrs in Deutschland und ist mit Abstand Marktführer im Schienenpersonenverkehr.

Ziele und Struktur des bundeseigenen Unternehmens waren in dem 25 Jahre nach der Bahnreform gestarteten unternehmensübergreifenden Masterplan-Prozess außen vor, was aus Sicht der Allianz pro Schiene richtig war. Dennoch: Es ist eine Leerstelle, die an anderer Stelle und zu einem anderen Zeitpunkt noch gefüllt werden muss.

 

Weiterführende Informationen: