Sonderpreis: Nicole Jurk und Thierry Boivin

Sonderpreis für ein TGV-Team

„Jeder versteht den anderen“

Nicole Jurk (30) aus Stuttgart gehört zum deutsch-französischen Team aus DB und SNCF. Sie gewinnt zusammen mit Thierry Boivin (34) aus Metz den Sonderpreis für meisterhafte Logistik, weil sie einem Sinfonie-Orchester des Hessischen Rundfunks auf Konzertreise nach Paris das Abendgastspiel gerettet hatten. Nicole Jurk stammt aus einer Eisenbahnerfamilie, sogar ihre zweijährige Tochter spielt mit einer Lego-Eisenbahn.

Nicole Jurk (DB) und Thierry Boivin (SNCF) über Eisenbahnkulturen

Das Interview

Frau Jurk, als Sie in ihrem TGV nach Paris den Anruf bekamen, dass 100 Personen außerplanmäßig zusteigen würden, wussten Sie da schon, dass es ein Sinfonie-Orchester sein würde?
Jurk: Nein. Wir dachten eher an eine Schüler-Gruppe. Boivin: Nicole Jurk kam zu mir und sagte, wir brauchen jetzt
sofort 100 freie Sitzplätze. Wir haben ein wenig disponiert und die erste Klasse mitbelegt. So konnten wir immerhin 94
zusammenkriegen.

Wie ging es dann weiter?
Boivin: Nicole und ich, wir haben die Musiker schon auf dem Bahnsteig empfangen und sie zu ihren Plätzen gebracht. Anfangs waren sie ziemlich ärgerlich. Aber ich war mir sicher: Am Ende der Fahrt würden alle zufrieden sein. Und genauso kam es auch. Jurk: Weil die Reisenden vorher schon vier Stunden in der Kälte gewartet hatten, habe ich bei der SNCF ein extra Lunchpaket für alle geordert. Und die anderen Fahrgäste im Zug waren auch sehr verständnisvoll. Zwei Musiker habe ich in einem Abteil untergebracht, in dem ein Junggesellinnen- Abschied gefeiert wurde. Die jungen Damen waren sehr ausgelassen und versorgten die Musiker mit Muffins. Als ich nochmal nach ihnen schaute, hoben sie gleich den Daumen.

Wie reden Sie im Zug eigentlich miteinander? Beide französisch, beide deutsch oder jeder seins?
Boivin: Wir wechseln oft die Sprache. Jeder versteht den anderen. Alle Zugbegleiter auf den internationalen Routen sprechen beide Sprachen, das ist die Einstellungsvoraussetzung.

Gibt es Unterschiede in den Eisenbahnkulturen?
Boivin: Ja, ganz sicher. Zum Beispiel ist in Deutschland alles groß. Jurk: Thierry meint den deutschen Kaffee. Der Franzose bestellt einen Kaffee, und es kommt ein Minitässchen. Da musste ich mich auch erst dran gewöhnen.

Gibt es die vielbeschworene deutsch-französische Freundschaft bei der Eisenbahn?
Jurk: Ganz sicher. Seit ich die internationalen Verbindungen fahre, verbringe ich auch meinen Urlaub in Frankreich und 2007 habe ich zum ersten Mal auf Französisch geträumt. Boivin: Bei so charmanten Kolleginnen aus Deutschland begrüßen wir uns immer mit einem Kuss. Das sagt doch alles.

Ein Sonderpreis für diese logistische Meisterleistung

Die Würdigung der Jury

Spitzenmusiker wählen die Bahn und nicht das Flugzeug, weil sie ausgeruht am Ziel ankommen wollen. Die Manager des Orchesters pochen zu Recht auf eine Reisekultur, die zu ihrem Beruf passt. Umso mehr ist das TGV-Team (hier im Bild: Thierry Boivin) zu loben: Die Bahn hatte an diesem Tag einen Ruf zu verlieren. Anspruchsvolle Fahrgäste brauchen eine anspruchsvolle Logistik, gerade unter widrigen Umständen. Einen Tusch mit Pauken und Trompeten für die logistische Meisterleistung von Nicole Jurk und Thierry Boivin.

Das schrieb der Einsender

Die Nominierung

„Als Orchestermanager für ein Gastspiel des hr-Sinfonieorchesters am 08.12.2012 in Paris geriet ich mit knapp 100 Musikern in die witterungsbedingten Ausfälle des Wochenendes. Für ein gutes Konzert sind ausgeruhte Musiker das A und O und können deshalb auf der Reise keinesfalls stehen. Tatsächlich ließ sich ein TGV ausfindig machen, der noch 94 Sitzplätze frei hatte. Diese wurden umstandslos für uns geblockt.

Noch vom Infoschalter in Karlsruhe konnten wir Kontakt zum besagten TGV aufnehmen, die Zugbegleiterin Frau Jurk war bestens informiert und hat sich ab der ersten Sekunde für uns eingesetzt und nicht gezögert, unsere Mitfahrt zu ermöglichen. Sie hat dabei immer freundlich und hilfsbereit zusammen mit ihrem Kollegen Herrn Boivin vom SNCF jedem Musiker einen Sitzplatz zugewiesen. Zusätzlich hat sie zusammen mit Herrn Boivin jedem Musiker noch ein Lunchpaket für die entstandenen Unannehmlichkeiten bereitgestellt. Frau Jurk hatte ihre Fahrgäste genauestens im Kopf, so dass jeder Musiker ein Paket bekommen hat.

Dies hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Stimmung der Reisegruppe sich positiv gehalten hat und wir trotz der Verspätung von knapp 5 Stunden ein überaus erfolgreiches Konzert in Paris hatten.“

Armin Wunsch (Manager des hr-Sinfonieorchesters)