Personenverkehr: Nicole Michel

Zu dem multinationalen Zughersteller Bombardier passt Nicole Michel (51) bestens: Im Schlepptau des Vaters, der für Mercedes in Asien arbeitete, verbrachte sie ihre Kindheit in Singapur und kam erst mit elf Jahren nach Deutschland zurück. Dass seine Tochter nach ihrem Industriedesign-Studium in Pforzheim und Chicago auf einmal Züge umgestalten wollte, fand auch der Automanager gut. Schließlich hatte Nicole Michel an der Uni schon erlebt, dass Frauen in der Autobranche in der Regel im Bereich Farben („Colour an Trim“) landen. Das war der jungen Designerin zu wenig. Und bei der Bahn gibt es in Sachen Gestaltung schließlich auch eine Menge zu tun. Zum Beispiel die Fahrradmitnahme. Aber hier sind wir schon mittendrin.

 

Mobilitätsgestalterin: Nicole Michel (51)

Position: Teamleiterin Industrial Design – Interior

Unternehmen: Bombardier Transportation

 

Die Innovation: Mit dem Fahrrad im Zug stressfrei ein- und ausparken

 

Dass Fahrradreisenden beim Ein- und Aussteigen aus dem Zug regelmäßig der Schweiß auf der Stirn steht, könnte bald passé sein: Die Bombardier Innendesignerin Nicole Michel hat nämlich mit ihrem Team ein Transportelement entwickelt, mit dem Fahrräder während der Reise nicht

Innovationspreis Mobilitätsgestalterin: Die Industriedesignerin Nicole Michel (Bombardier) erhält den Titel Mobilitätsgestalterin in der Kategorie „Personenverkehr“ für eine Erfindung, die den Fahrradtransport mit der Bahn revolutionieren könnte.
mehr am Vorderrad aufgehängt oder befestigt werden müssen. Stattdessen lassen sich die Zweiräder stressfrei und materialschonend an der Pedale in die Bügel einhaken. Das System spart Platz und funktioniert gerade für echte Lastesel, die mit dicken Taschen oder Kindersitzen beladen sind, oder bei E-Bikes: Mit einem leichten Hub sitzen sie im Fahrradhalter fest und können genauso einfach auch wieder aus dem Gestänge befreit werden. Premiere haben die neuen Haltersysteme schon 2019 in Zügen der ÖBB/Vorarlberg. Gegenwärtig laufen die letzten Tests.

 

Das sagt die Jury: Besser mit Köpfchen einparken

Der Fahrradhalter von Nicole Michel und ihrem Team ist eine Innovation, die einer multimodal gedachten Eisenbahn den Rücken stärkt. Natürlich ging es mit dem Rad im Zug auch schon früher immer irgendwie. Und ein Kerl aus dem Kraftstudio stemmt ein schweres Fahrrad samt Gepäck ohne Mühe in die übliche Halterung. Aber wozu die Muskelprotzerei? Wozu der Stress? Schon gar, wo Damenfahrräder ohne die hohe Stange nicht wirklich stabil einzuhängen sind? Besser mit Köpfchen einparken! Und eine Innovation, die eine Vernetzung von zwei umweltfreundlichen Verkehrsträgern leichter macht, die hat für die Jury Vorfahrt. Damit geht der Titel „Mobilitätsgestalterin 2018“ in der Kategorie „Innovation Personenverkehr“ an die Bombardier-Designerin Nicole Michel.

 

Interview: „Gutes Design lässt die Herzen höher schlagen“

Frau Michel, Sie sind „Mobilitätsgestalterin 2018“. Wie fühlt sich das an?

Großartig. Als ich es erfuhr, dachte ich: Das ist ja ein Ding. Allerdings erkläre ich es mir so: Ein Fahrradhalter für den Zug, das ist etwas, was jeder gebrauchen kann. Es lässt sich anfassen und ist gut verständlich.

Also waren Sie nicht überrascht?

Doch. Denn schließlich denke ich seit 25 Jahren, dass die Fahrradhalter in Zügen besser werden müssten, und es hat sich nichts getan. Der Fahrradtransport bei der Bahn ist … ja… stiefmütterlich. Spartanisch. Und immer wird das Vorderrad in Mitleidenschaft gezogen. Das ist bei unserem ÖBB-Zug jetzt endlich anders.

Fahren Sie selber gerne Fahrrad?

Ja, zur Arbeit radele ich durch den Park von Sanssouci und am Bahnhof hebe ich dann mein Rad in den Zug. Bei meinen 15 Kollegen im Team ist es nicht anders: Wir sind fast alle passionierte Fahrradfahrer, und ich denke, da kommt in der Mobilität gerade mächtig etwas in Bewegung. Die jüngeren Leute wollen Verkehrsmittel benutzen und nicht mehr besitzen.

Und schon sehen auch die Züge anders aus?

Richtig. Als ich bei Bombardier angefangen habe, hießen wir noch „AEG Schienenfahrzeuge“. Ich war fertig studierte „Industriedesignerin“, schaute mir die Züge an und dachte: Klasse, da wartet jede Menge Arbeit auf dich.

Innovationspreis Mobilitätsgestalterin: Die Industriedesignerin Nicole Michel (Bombardier) erhält den Titel Mobilitätsgestalterin in der Kategorie „Personenverkehr“ für eine Erfindung, die den Fahrradtransport mit der Bahn revolutionieren könnte.

Ein Auto zu gestalten, wäre das nichts für Sie gewesen?

Doch, mein Vater war Leiter der Mercedes-Niederlassung in China, deshalb lag mir das nicht fern. Allerdings merkte ich beim Studium, dass die Autoindustrie beim Design nicht gerade frauenfreundlich ist. Männer machen die schnittigen Modelle und Frauen dürfen die Farben aussuchen. Oft gestalten die Autodesigner jahrelang nur ein winziges Detail, zum Beispiel den Außenspiegel. Das war mir nicht genug.

Dann wollten Sie schon als kleines Mädchen die Mobilität revolutionieren?

Gar nicht. Zuerst wollte ich Hausfrau werden, wie meine Mama. Später interessierten mich zwei Dinge: Mathematik und Kunst. Und nun musste ich beides zusammenbringen. Also? Industriedesign, das ist mein Ding. Und ich habe meine Wahl keine Sekunde lang bereut.

Was ist für Sie gutes Design?

Das erklärt sich allein durch die Formensprache und ist verständlich ohne Betriebsanleitung. Aber damit die Leute etwas gerne benutzen, muss es auch noch charmant sein. Es ist dieses gewisse Etwas, eine Cleverness, ein Twist, der unsere Herzen höher schlagen lässt.