Beste Idee: Sylvia Lier

 

Geboren und aufgewachsen in der Mobilitätswüste im gerne so genannten „ländlichen Raum“ hatte Sylvia Lier (51) schon als Schülerin nur einen Gedanken: Frei sein, ein Auto haben und nichts wie weg aus der Lüneburger Heide. Sie studierte BWL in Hannover und startete ihre Karriere beim Reifenhersteller Continental. Irgendwann kam dann der erste Dienstwagen, den die junge Managerin mit stolzgeschwellter Brust fuhr. Inzwischen weiß sie es besser: Mobilität ist viel mehr als ein eigenes Auto. Und so ist es kein Wunder, dass sie bei der Deutschen Bahn gelandet ist und an einem Mobilitätsbudget tüftelt, das jeden Dienstwagenbesitzer neidisch werden lässt.

 

Mobilitätsgestalterin: Sylvia Lier (51)

Position: Vorsitzende der Geschäftsführung

Unternehmen: Deutsche Bahn Connect

 

Die Innovation: Per App das private Mobilitätsbudget im Blick

Die Idee ist klein und handlich, aber sie hat es in sich. Im Dienstwagen-Eldorado Deutschland könnte das Mobilitätsbudget von Sylvia Lier noch für viel frischen Wind sorgen. Die Geschäftsführerin und Mobilitätsgestalterin von Deutsche Bahn Connect möchte nämlich die private Mobilität aufs nächste Level heben. Ihr Plan: Mitarbeiter bekommen vom Arbeitgeber ein monatliches Mobilitätsbudget ausbezahlt – und zwar zusätzlich zum Gehalt. Damit finanzieren sie ihren individuellen Mobilitätsmix aus U- und S-Bahn, Mietfahrrad, Bahncard und einem Carsharing-Auto. Suche, Buchung und Abrechnung der Wunschverbindung erledigt die zentrale Mobilitätsbudget-App, so dass jeder sein Budget immer im Blick behalten kann. Lier hofft, mit dem Mobilitätsbudget den Nerv der Zeit zu treffen. Mitarbeiter gewinnen – so das Kalkül – eine bedarfsorientierte Flexibilität, die der klassische Dienstwagen so nicht bieten kann.

Innovationspreis Mobilitaetsgestalterin 2018 Beste Idee Sylvia Lier: In der Kategorie „Beste Idee“ ehrt die Jury die Managerin Sylvia Lier (Deutsche Bahn, DB Connect): Mit einem „Mobilitätsbudget“, das vom Arbeitgeber gezahlt wird, mitsamt zentraler App zur Suche, Buchung und Abrechnung will Lier nicht nur die Dienstreisepraxis, sondern auch die private Mobilität in Deutschland grundlegend verändern.

Unternehmen fördern ihre Mitarbeiter und können sich als moderne Arbeitgeber positionieren. Durch den Mix nachhaltiger Verkehrsmittel fördert das Mobilitätsbudget außerdem den Umweltschutz. Das Mobilitätsbudget wird unter Leitung von Sylvia Lier konzernübergreifend von DB Connect, DB Fernverkehr und DB Systel umgesetzt und von konzerninternen Experten aus den Bereichen Steuer, Nachhaltigkeit und Verkehrspolitik begleitet. 2018 kommt das Mobilitätsbudget zunächst als Pilot auf den deutschen Markt. Denn wie bei allen umwälzenden Neuerungen gibt es auch hier einen Haken: Die Versteuerung ist kompliziert und längst nicht so attraktiv wie die 1%-Besteuerung von Dienstwagen. Damit das Mobilitätsbudget von Unternehmen und Mitarbeitern langfristig angenommen wird, muss ein neues – vor allem einfacheres und günstigeres – Steuermodell her. Deshalb entwickelt das Team um Sylvia Lier nicht nur ein neues Produkt, sondern schmiedet parallel dazu bereits eine Allianz für eine attraktive Steuerlösung.

 

Das sagt die Jury: Faire Steuerregelung längst überfällig

In Deutschland wird Verkehrspolitik gerne über die Steuererklärung betrieben. Gute Ideen können also den mutigen Schulterschluss mit dem Finanzamt immer gebrauchen. Mit einem Satz: Mit dem Mobilitätsbudget und der dazugehörigen App, die das Budget verwaltet, werden bei DB Connect revolutionär dicke Bretter gebohrt. Denn eigentlich ist eine freie Mobilitätswahl für alle Arbeitnehmer und damit auch eine faire Steuerregelung für Dienst- und Privatfahrten mit dem umweltfreundlichen öffentlichen Verkehr längst überfällig, findet die Jury.

Die Deutsche Bahn-Managerin Sylvia Lier gewinnt damit den Titel Mobilitätsgestalterin 2018 in der Kategorie „Beste Idee“.

 

Interview: „Ich glaube an meine Idee“

Frau Lier, wie kommen Sie morgens zur Arbeit?

Ich stehe sehr früh auf, steige im Kölner Norden in den Regionalzug, und dann geht’s weiter zum Kölner Hauptbahnhof. Dort steige ich in den ICE und fahre nach Frankfurt am Main. Wenn ich ins Büro komme, habe ich schon zwei Stunden Büroarbeit erledigt.

Und zurück nochmal zwei Stunden? Dann sind Sie täglich vier Stunden unterwegs. Ist das nicht hart?

Es ist kein Spaziergang, aber es funktioniert. Vor allem, weil bei mir die unproduktive Zeit entfällt, die andere Pendler am Steuer sitzen. Ich kann im Zug richtig gut arbeiten.

Finden die Kollegen Ihre lange Anreise nicht bizarr?

Ich habe es wegen meiner zwei Kinder gemacht: Die fühlen sich wohl in Köln und deshalb bleiben wir dort. Für meine Mitarbeiter war es gewöhnungsbedürftig, aber es geht.

Sie sind also im wahrsten Sinne des Wortes eine Mobilitätsgestalterin. Hat die Jury die richtige ausgezeichnet?

Im Grunde ja. Ich glaube an meine Idee. Klingt das jetzt eingebildet?

Nein, gar nicht. Die Jury mag selbstbewusste Frauen. Wie sind Sie auf das Mobilitätsbudget gekommen?

Ich erlebe es häufig, dass Mitarbeiter sagen: Eigentlich brauche ich gar keinen Dienstwagen, aber weil ich den steuerlich günstig auch privat fahren kann, nehme ich ihn halt. Das ist natürlich keine freie Entscheidung. Also arbeite ich an einer App für die Mobilität der Zukunft, mit der Menschen ihr individuelles Mix zusammenstellen, buchen und überblicken können. Und wir überlegen uns, wie ein solches Mobilitätsbudget steuerlich fair zu behandeln wäre.

Ist das eine Vision?

Ja, ich habe irgendwann verstanden: Es geht um Mobilität. Nicht um den Besitz eines Fahrzeugs. Und unser Ziel ist es, den Menschen diese neue Sichtweise zu ermöglichen.