Oberbürgermeister von Frankfurt: ÖPNV-Preise runter, Angebot rauf!

Oberbürgermeister Peter Feldmann im Interview mit der Allianz pro Schiene

Mit Beginn dieses Jahres erhalten alle Landesbediensteten in Hessen automatisch ein Ticket, mit dem sie im ganzen Land den öffentlichen Nahverkehr, kurz ÖPNV, nutzen können. Da die Initiative in Deutschland bisher einmalig ist, sorgte sie für einiges an Aufsehen. Vor wenigen Wochen wurde nun außerdem bekannt, dass die Berliner Landesregierung das sogenannte „Jobticket“ für Berufstätige etwa zehn Euro günstiger machen will. Verkehrte Welt?! Auf keinen Fall, findet Peter Feldmann, Oberbürgermeister von Frankfurt am Main. Im Interview erklärt er, warum auch er für alle Bedienstete seiner Stadt ein ÖPNV-Ticket fordert, wieso der öffentliche Verkehr im ganzen Land günstiger werden muss und warum er für seine Stadt eine Milliarde Euro vom Bund braucht.  

 

Herr Oberbürgermeister, ab Januar 2018 haben in Hessen mehr als 145.000 Landesbedienstete freie Fahrt im ÖPNV. Die Initiative ist bundesweit einmalig. Wie bewerten Sie diese Maßnahme?

Feldmann: Das ist eine gute Aktion, die Städte und Gemeinden müssen schnell nachziehen, damit es auch ein Gratis-Ticket für die Beschäftigten hier bei uns in Frankfurt gibt. Das ist mein Ziel. Am besten ist eine Lösung für alle Beschäftigten, dann wird es günstiger, aber notfalls muss es Frankfurt alleine machen.   

 

Was kann man tun, um den ÖPNV nicht nur für eine spezielle Berufsgruppe, sondern für Menschen allgemein, insbesondere in Metropolen oder Ballungszentren wie Frankfurt und Rhein-Main attraktiver zu gestalten?

Drei Beispiele: Den S- und U-Bahn und Straßenbahnbetrieb auch nachts anbieten, damit legen wir mit dem Fahrplanwechsel los. Die Fahrpreise attraktiver gestalten, damit haben wir mit den Fahrpreissenkungen begonnen, den Weg werden wir weitergehen.  Für Erwachsene von 2,90 € um 15 Cent auf 2,75 €; die Tageskarte bisher :7,20 €, dann Senkung um 1,85 € auf 5,35 €.

Und Kinder Senkung um 10 Cent auf 1,55 €; Tageskarte bisher 4,20 €, dann Senkung um 1,20 € auf 3,00 €.

Wir bieten das Schülerticket in ganz Hessen für 1 € am Tag und das Seniorenticket ab Fahrplanwechsel für 1,50 € am Tag an. Wir müssen die Infrastruktur ausbauen, denn zu den Berufsverkehrszeiten sind wir am Limit. Frankfurt hat endlich die U5 ins Europaviertel im Bau. Der Lückenschluss Ginnheim und Bockenheim muss kommen. Wir brauchen eine neue Altstadtstrecke mit der Straßenbahn. Wir brauchen eine „Allianz pro Schiene“!

 

Wie sind Ihre Vorschläge im Magistrat Ihrer Stadt aufgenommen und diskutiert worden? Was waren die Gründe für diese Tarifmaßnahmen?

Gemischt, einige waren erst dagegen, dann dafür. Manche wollten mehr und manche wollten gar nichts. Ich habe klargemacht: es ist ein erster Schritt, weitere müssen folgen. Es muss auch sauber finanziert sein, denn ein günstigerer Fahrschein, wenn die Leistung schlechter wird, das will zu Recht auch keiner. 

 

ÖPNV-Preise runter, Angebot rauf!

 

Wie rechnet sich diese Tarifmaßnahme? Muss die Stadt fehlende Einnahmen ausgleichen?

Wir gehen davon aus, dass es sich durch zusätzliche Gäste der Bahnen und Busse amortisiert.

 

In der Öffentlichkeitsarbeit und im Marketing gilt der Satz: Tue Gutes und rede darüber. Wien hat vor einigen Jahren ein Jahresticket für 365,00 € eingeführt – ein Euro pro Tag für die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel. Durch massive Werbung wurde das auch rechnerisch erfolgreich. Wie wollen Sie Ihre Tarifmaßnahmen bewerben und könnten Sie sich eine ähnliche Aktion wie in Wien vorstellen?

Das kann ich mir sehr gut vorstellen, aber wir müssen es Schritt für Schritt machen. Wenn wir dem Verbund auf einen Schlag so viel Geld entziehen, dann müssten wir das Angebot radikal kürzen, das will keiner. Also: Weiter die Fahrpreise senken, gleichzeitig das Angebot ausweiten, darum geht es. Generell werben wir für den Umstieg auf Busse und Bahnen. Auch mit unserer Weihnachtsaktion, einen Tag zahlen und drei Tage fahren.

 

Können Ihre Maßnahmen Beispiel gebend werden für andere Großstädte in Deutschland, die ja zum Teil auch recht hohe Tarife haben? Werden Sie Ihr Projekt mit Ihren Kollegen im Städte- und Gemeindetag diskutieren?

Ja, beim Diesel Gipfel im Kanzleramt habe ich klar gesagt: Wir brauchen 1 Milliarde vom Bund im Jahr. Mit dieser Milliarde müssen wir stärker in Busse und Bahnen investieren. Es ist für das Klima unverzichtbar. Wir wollen auch den Umstieg in Elektrobusse forcieren. Hier ist übrigens die deutsche Industrie am Zug. Ihre Angebote in diesem Bereich sind derzeit nicht wettbewerbsfähig. Nach dem Dieseldesaster darf es keine zweite Pleite geben, weil die deutsche Automobilindustrie die Zukunft verschläft. 

 

Ist das jetzt eine einmalige Aktion rechtzeitig vor den Wahlen oder der Auftakt für weitere Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des ÖPNV?

Es ist der Auftakt. Die Erhöhungsspirale ist dauerhaft durchbrochen. Die Elektromobilität werden wir ausbauen. Massiv in die Infrastruktur investieren. Wir werden die wachsende Stadt so zusammenhalten, dass der ÖPNV attraktiver wird, in allen Bereichen. Das ist meine Priorität. 

 

 

Die Fragen stellte Armin Nagel, Senior Advisor der Allianz pro Schiene

 

Weiterführende Links:

Der hessische Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung im Interview mit der Allianz pro Schiene über das kostenlose ÖPNV-Landesticket