EU will Gigaliner grenzüberschreitend fahren lassen

EU-Kommission: Neuer Vorstoß zum Riesen-Lkw

Gigaliner
Eurocombi: Bisher war der Name nur Programm, doch die EU-Kommission plant jetzt den großen Grenzverkehr für Riesen-Lkw.

Berlin, 11. April 2013. Die EU-Kommission macht einen weiteren Vorstoß beim Thema Riesen-Lkw. In einem Entwurf zur Änderung der Richtlinie für Lkw-Maße und Gewichte, der am Montag veröffentlicht werden soll, will die Kommission erstmals den grenzüberschreitenden Einsatz überlanger Lkw zwischen Nachbarstaaten legalisieren. Zugleich verzichtet die EU-Kommission jedoch darauf, Riesen-Lkw für alle Mitgliedsstaaten als generellen Standard einzuführen. Stattdessen setzt das Papier, das der Allianz pro Schiene vorliegt, auf eine verbesserte Aerodynamik im Straßengüterverkehr.

Der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, appellierte an alle EU-Parlamentarier, den Richtlinienentwurf mit großer Wachsamkeit zu prüfen. „Die Erlaubnis grenzüberschreitender Fahrten könnte der Dammbruch sein, mit dem zeitversetzt die Riesen-Lkw in allen Ländern Europas Einzug halten“, sagte Flege am Donnerstag in Berlin. „Auch wenn die EU uns die Gigaliner nicht aufzwingt, will sie ihnen jetzt doch sperrangelweit eine Hintertür öffnen.“

Der Vorsitzende des Auto Club Europa (ACE), Wolfgang Rose erinnerte daran, dass die große Mehrheit der Bürger in Europa gegen den Einsatz von überlangen Lastwagen ist. „Umfragen in vielen Ländern ergeben, dass drei Viertel der Menschen keine Gigaliner auf den Straßen wollen“, sagte Rose und forderte das EU-Parlament auf, den Bürgerwillen zu achten. „Es gibt in Brüssel starke Interessen der Lastwagenlobby, die nicht das letzte Wort behalten sollten, wenn es um die Belange aller Autofahrer geht.“

Fünf Fragen und Antworten zum Gigaliner


1. Wo fahren Gigaliner in Europa?

In Finnland und Schweden fahren Riesen-Lkw schon lange. Doch die weiträumigen, relativ dünn besiedelten skandinavischen Regionen mit wenig Straßenverkehr sind nicht zu vergleichen mit dem Rest Europas. Dort ist das Straßennetz dicht gebaut und stark befahren – für Gigaliner nicht geeignet. Auch Dänemark und die Niederlande testen 25 Meter Lkw mit 60 Tonnen.

2. Wo fahren Gigaliner in Deutschland?
Deutschland hat im Dezember 2011 eine Ausnahmeverordnung erlassen, um Riesen-Lkw zu testen. Die Verordnung der Bundesregierung sieht vor, dass Gigaliner neben Autobahnen und Bundesstraßen auch auf einer Vielzahl von Landes- , Kreis- und Gemeindestraßen fahren dürfen. In folgenden Bundesländern fahren zur Zeit Riesen-Lkw: Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Hessen, Thüringen, Sachsen und Bayern. Seit den Regierungswechseln in Schleswig-Holstein und Niedersachsen sind beide Länder skeptisch gegenüber dem Versuch. Schleswig-Holstein hat sich auch der gemeinsamen Klage von Bremen und Baden-Württemberg beim Bundesverfassungsgericht angeschlossen. Das Gericht soll klären, ob der Test auf Basis einer Ausnahmeverordnung des Bundes überhaupt verfassungsgemäß ist.

3. Was erhoffen sich die Befürworter?
Die Befürworter übergroßer Lkw werben gerne mit Umweltargumenten, in Wirklichkeit versprechen sie sich aber eine Kostenersparnis im Lkw-Transport von bis zu 30 Prozent. Zu den Befürwortern von übergroßen Lkw gehört der Verband der Automobilindustrie (VDA), der Bundesverband des Groß- und Außenhandels (BGA) und weitere Verbände des Straßentransportgewerbes.

4. Was befürchten die Gegner?
Die Gegner von übergroßen Lkw befürchten, dass durch die Verbilligung des Lkw-Verkehrs durch Gigaliner ein Anreiz für mehr Straßengüterverkehr geschaffen wird. Durch den Kostenvorteil der Gigaliner könnten Güter von umweltfreundlichen Verkehrsträgern zurück auf die Straße verlagert werden. Das Ergebnis wären mehr Lkw-Fahrten und eine größere Umweltbelastung. Zu den Gegnern von übergroßen Lkw zählen die in der Allianz pro Schiene zusammengeschlossenen Automobilclubs, Umweltverbände und Eisenbahnen sowie der Deutsche Städtetag und die Deutsche Polizeigewerkschaft. Auf EU-Ebene haben sich die Gegner zum Bündnis No Mega Trucks zusammengeschlossen.

5. Kann der Gigaliner-Test in Deutschland noch gestoppt werden?
Ebenso wie die Bundesländer Baden-Württemberg, Bremen und Schleswig-Holstein haben auch die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen beschlossen, gegen die Gigaliner-Verordnung der Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen. Sie werfen der Bundesregierung vor, im Alleingang ohne Beteiligung von Bundesrat und Bundestag gehandelt zu haben. Ein Gutachten des renommierten Verfassungsrechtlers Prof. Dr. Ulrich Battis kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Verordnung der Bundesregierung verfassungswidrig ist. Eine derartige Klage hat keine aufschiebende Wirkung, könnte den Versuch nach dessen Beginn aber noch ausbremsen.