Die Hälfte der Reisenden ist wechselfreudig

EU-Projekt USEmobility: Umfrage zur Verkehrsmittelwahl

USEmobility
Ein Projekt, das die Reisenden versteht: Warum wechseln Menschen vom Auto zum öffentlichen Verkehr und umgekehrt?

Berlin. Die Reisenden in Deutschland und Europa sind bei der Wahl ihres Verkehrsmittels überraschend wechselfreudig: fast 50 Prozent der Befragten aus sechs europäischen Ländern haben in den vergangenen Jahren ihren Mobilitäts-Mix verändert. Das hat eine Quotas-Umfrage im Rahmen des EU-Projekts USEmobility ergeben. Ihren neuartigen Ansatz zur Erforschung von realen Wechselentscheidungen erprobten die Verkehrsforscher repräsentativ für Deutschland, Österreich, Ungarn, Kroatien, den Niederlanden und Belgien. Anders als es die statisch anmutenden Marktanteile der verschiedenen Verkehrsträger nahelegen, herrscht der Umfrage zufolge auf dem europäischen Verkehrsmarkt eine hohe Dynamik. „Wir wissen jetzt, dass die Hälfte aller Verkehrsteilnehmer nicht ein für allemal auf das Auto oder den öffentlichen Verkehr festgelegt ist“, sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege am Dienstag in Berlin. „Wir wissen außerdem, welche Faktoren eine Rolle spielen, wenn Menschen vom Auto zum öffentlichen Verkehr wechseln oder umgekehrt dem öffentlichen Verkehr den Rücken kehren.“ USEmobility – im vollen Titel: Understanding Social behaviour for Eco-friendly multimodal mobility – liefere der Verkehrspolitik ein klares Anforderungsprofil und den Verkehrsunternehmen Hinweise, wie sie ihre Fahrgäste halten oder neue gewinnen könnten. „Wo viel Dynamik ist, da gibt es für Politik und Unternehmen auch vielfältige Gelegenheit, eine Entscheidung der Reisenden für den öffentlichen Verkehr zu begünstigen“, sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, unter deren Leitung das EU-Projekt läuft.

Die von Quotas ermittelten Wechselnutzer sind laut Umfrage vermehrt multimodal unterwegs: Zwei Drittel der Reisenden wählten ein Mix aus verschiedenen Verkehrsmitteln für ihre täglichen Wege, während nur ein Drittel auf ein einziges Verkehrsmittel umstieg. „Insgesamt liegt mit steigendem Alter eine immer höhere Wahlfreiheit bei den Wechselnutzern vor“, sagte Thomas Krautscheid von Quotas. „Menschen im fortgeschrittenen Alter haben oft einen PKW und zeigen dennoch eine hohe Flexibilität, sich je nach Situation für oder gegen den ÖV zu entscheiden.“ Dass Menschen überhaupt ihr gewohntes Verkehrsverhalten ändern, hänge vor allem mit Veränderungen im privaten Umfeld zusammen: Arbeitsplatzwechsel, Geburt der Kinder, Umzug oder Pensionierung nannten die Befragten in allen europäischen Ländern als Gründe, ihre Verkehrsmittelwahl zu überdenken. Die Reisenden gaben an, im Schnitt alle zwei Jahre eine solche Änderung ihrer Lebensverhältnisse zu erleben. „Solche Anlässe sind also nicht selten und liefern den Verkehrsunternehmen einen Hebel, ihre möglichen Kunden direkt und gezielt anzusprechen“, sagte Krautscheid.

USEmobility

Die Umfrageergebnisse in allen untersuchten Ländern gleichen sich. Dennoch fanden die Forscher auch landesspezifische Besonderheiten. So verfügt der Pkw im Autofahrerland Deutschland erwartungsgemäß über ein besonders starkes Image, das überwiegend mit Attributen wie schnell, spontan und aufregend verknüpft ist. Zugleich belegt die Umfrage, dass die Deutschen noch wechselfreudiger sind als ihre europäischen Nachbarn. Auf dem Weg zur Arbeit haben mehr als 50 Prozent der Befragten in den letzten fünf Jahren ihren Mobilitätsmix verändert. Zudem weist Deutschland von allen europäischen Ländern die höchste Multimodalität auf (77 Prozent) auf. Während deutsche Reisende jedoch laut Umfrage mit dem Personal in den Zügen im Schnitt 10 Prozent weniger zufrieden waren als Fahrgäste in den anderen Ländern Europas, zeigten sich die Kunden in Österreich mit ihrem öffentlichen Verkehr überdurchschnittlich zufrieden. Auch das Image von Bussen und Bahnen ist in der Alpenrepublik hoch. In den Niederlanden waren 43 Prozent der Reisenden auch nach einem Verkehrsmittelwechsel weiterhin strikt monomodal unterwegs, so viele, wie nirgendwo sonst in Europa. Die Reisenden in Belgien sehen öffentlichen Verkehr eher als städtisches Verkehrsmittel, dessen Sicherheit vor Verkehrsunfällen die Befragten höher bewerten als in anderen europäischen Ländern. In Ungarn ergab die Umfrage Nachholbedarf für die Informationspolitik der Verkehrsunternehmen. Nur sieben Prozent der Befragten gaben an, über Reiseangebote informiert worden zu sein. In Kroatien zeigen die Befragten ein erhöhtes Umweltbewusstsein: Stolze 70 Prozent der befragten Kroaten gaben an, für einen umweltgerechten Verkehr Mehrkosten in Kauf nehmen zu wollen.

Eine Abschlussveranstaltung zum USEmobility-Projekt findet am 13.02.2013 um 10:00 – 16:00 Uhr in Berlin statt. Sie sind herzlich eingeladen. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Leibniz-Saal, Jägerstraße 22/23, 10117 Berlin

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